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Die ethische Kraft der Hoffnung

Diskutiert wird heute: Welche Bedeutung hat die Zukunft für das Handeln in der Gegenwart? Warum kann uns das Leben der kommenden Generationen nicht egal sein?

Diskutiert wird heute: Welche Bedeutung hat die Zukunft für das Handeln in der Gegenwart? Warum kann uns das Leben der kommenden Generationen nicht egal sein?

Von Johanna Haberer

Im biblischen Glauben befinden wir Menschen uns nicht in einem dauernden Kreislauf von Werden und Vergehen wie in den alten indischen Religionen. Die jüdisch-christliche Zeitvorstellung verläuft linear, zwischen „Alpha“ und „Omega“, Anfang und Ende. Sie schickt Menschen auf einen langen Weg zwischen der Schöpfung und der Erlösung – das Paradies im Rücken und am Horizont das Reich Gottes. Die Zeit ist nach dieser Vorstellung ein fortschreitender Prozess. An seinem Ende wartet nicht eine Katastrophe, sondern Christus, der Auferstandene, der am Ende Recht richtet und aufrichtet. Christinnen und Christen leben in der Hoffnung, dass das gute Ende immer schon Voraussetzung ihres Glaubens und ihres Lebens ist, dass die Hoffnung auf Erlösung von Schuld und auf die Lösung aller unbeantworteten Fragen immer schon erfüllt ist. Man kann das für Freundinnen und Freunde der deutschen Grammatik auch in einer grammatikalischen Denkfigur ausdrücken: Wir Christinnen und Christen leben im Futur, exakt in der genau bestimmten Zukunft. Wir verstehen unser Leben und die Welt immer schon von ihrer Vollendung her, wie sie uns im Leben und Sterben Jesu Christi schon begegnet ist und uns am Ende unseres Lebens und dieser Weltzeit begegnen wird.„Ich werde gelebt haben. Ich werde gelitten haben. Ich werde schuldig geworden sein. Doch ich lebe schon heute von der Erlösung, auf die ich hoffe.“ Das gibt der christlichen Hoffnung die Gewissheit, nicht „zuschanden zu werden“ (Römer 5,5). Weil die Erlösung, das Reich Gottes und Gottes barmherzige Gerechtigkeit im Glauben an Jesus Christus immer schon da sind, ist die Hoffnung gut begründet, dass Gottes Reich und Gerechtigkeit auch in aller Zukunft da sein werden. Das meinte Jesus, als er vom Reiche Gottes sprach, das jetzt schon mitten unter uns ist (Lukas 17,21) und zugleich unsere Hoffnung auf das Ziel der Schöpfung beflügelt.

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