Die dicksten Bretter

Anfang Oktober sollen alle feststehen, die sich zur KGR-Wahl aufstellen. Es geht um Ämter mit Verantwortung – die viele scheuen. Das hat Pröpstin Kallies auf einer Tour erfahren.

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Lübeck. Am 27. November werden in der Nordkirche neue Kirchengemeinderäte (KGR) gewählt. Die Lübecker Pröpstin Petra Kallies hat sich vorab auf Reisen begeben. Das Ziel: Alle 17 Kirchen­gemeinden der Propstei Lübeck besuchen und mit den Ehrenamtlichen ins Gespräch kommen über die vergangene Arbeit und Herausforderungen. Denn die Kirchengemeinderäte sind „die Dreh- und Angelpunkte“ jeder Gemeinde, ohne sie funktioniert es nicht, so Kallies.

Die Arbeit in einem Kirchengemeinderat sei, je nach Größe der Gemeinde, wie die Leitung eines mittelständischen Unternehmens. Es gehe um Finanzen, Personal und Gebäudemanagement, sagt Kallies. Da brauche es schon eine gewisse „Affinität zu Verwaltungsvorgängen und zu Sitzungen“. Wer aber sage: „Die Gemeinde ist mir ein wichtiger Ort“, der sei in einem KGR „schon ganz richtig“.

Ehrenamtliche fehlen

Drei Leitfragen hat die Pröpstin dabei. Die erste drehe sich um „die dicksten Bretter“ und die „echten Highlights“, die die Kirchengemeinderäte in der vergangenen Amtszeit erlebt haben. Einheitlich sei die Corona-Pandemie als größte Herausforderung genannt worden, so Kallies. „Das Gemeindeleben vor Corona hat sich nicht wieder eins zu eins aufbauen lassen.“ Es fehlten Ehrenamtliche in den Chören, aber auch viele Jugendliche seien nach Corona nicht in den Gemeindealltag zurückgekehrt.

Pröpstin Petra Kallies
Pröpstin Petra KalliesGuido Kollmeier

Auch bei den Höhepunkten habe sich eine klare Tendenz erkennen lassen. Oftmals seien Aktionen genannt worden, bei denen die Gemeinden „in Kontakt mit Menschen gekommen sind, mit denen sie ansonsten nicht in Kontakt kommen“. Und die Geschichte einer Gemeinde, die eine wunderbare Kirche habe, hat Petra Kallies besonders überrascht: „Die haben ihre Open-Air-Gottesdienste genannt“, weil sie so auf eine ganz niedrigschwellige Art Menschen erreicht hätten, für die die Schwelle zur Kirche zu hoch sei.

Schlichtweg keine Zeit

Die zweite Frage richtete Kallies bewusst an die scheidenden Kirchengemeinderäte: „Was hättet ihr rückblickend an Fortbildung gebraucht?“ Insbesondere in den Bereichen Verwaltung und Organisation sei vieles komplizierter geworden als früher. Auch der Haushalt sei ein Thema, bei dem es künftig mehr Beratung brauche, so Kallies. Hinzu kämen Fragen rund um die Fusion von Gemeinden oder die Gründung von Pfarrsprengeln, bei denen der Kirchenkreis sich als Berater anbiete.

„Wie habt ihr in eurer Kirchengemeinderatsarbeit die Altersgruppe der 15- bis 30-Jährigen und der 30- bis 50-Jährigen im Blick?“. Häufig seien es Menschen, die voll berufstätig sind, Kinder oder pflegebedürftige Eltern zu Hause haben und „schlichtweg überhaupt keine Zeit haben“. Genau da stecke eine Gefahr, so Kallies: „Wenn die Menschen zwischen Konfirmation und dem 50. Lebensjahr nichts mit der Kirche zu tun haben, könne das Thema Entfremdung einfach zu groß werden.“

Unsichtbare Grenzen

Als Themen der künftigen Kirchengemeinderäte sehe sie unter anderem die Parochie, also die feste Zuordnung der Menschen zu einer Kirchengemeinde in Wohnortnähe. Doch die jüngere Generation sei es gewohnt, „frei zu entscheiden“ und sich die Gemeinde ebenso wie die Kita oder den Zahnarzt auszusuchen. Diese unsichtbaren Grenzen werden sich „nicht mehr lange tragen“, gibt Pröpstin Kallies zu bedenken. Ebenso sei es mit dem Gottesdienst am Sonntagmorgen. Nur an Festtagen seien sie noch gut besucht, weswegen die Gemeinden schauen sollten: „Was für Formen, das Evangelium zu verkünden, gibt es sonst noch?“

Aktuell engagieren sich zwischen Geesthacht und Travemünde rund 500 Menschen ehrenamtlich in den Kirchengemeinderäten des Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg. Dafür ist Petra Kallies dankbar. Dennoch fehlen für die anstehende KGR-Wahl noch Kandidaten in den Gemeinden. „Und ich finde, es ist eben wichtig, dass Leute dabei sind, die Lebenserfahrung oder auch eine Fachexpertise mitbringen“, sagt Kallies, aber „die Mischung macht’s“. (epd)