Der verborgene Schatz des Himalaya

Inmitten des Himalaya liegt die buddhistische Klosteranlage Alchi aus dem 11. Jahrhundert, eines der bedeutendsten Heiligtümer. Eine Ausstellung in Hamburg zeigt die Schönheit der Anlage – trotz Lockdowns.

Voller Einsatz: Peter van Ham fotografiert im Sumtsek-Tempel in Alchi
Voller Einsatz: Peter van Ham fotografiert im Sumtsek-Tempel in AlchiTsering Angchuk

Hamburg. Die Zeiten der weißen Flecken auf Landkarten sind lang vorbei. Die Welt ist erkundet, alles ist bekannt, so könnte man denken. Tatsächlich aber gibt es Orte, die sehr abgelegen sind, kaum bekannt. Von der Schönheit dieser Orte und ihrer Bedeutung zu erfahren, kann für Menschen, die glauben, alles verfügbar zu haben, eine unerwartete Erfahrung sein.

Dies macht eine Ausstellung über die buddhistische Klosteranlage Alchi deutlich, die im „Museum am Rothenbaum. Kulturen und Künste der Welt“, kurz MARKK, zu sehen ist – wenn das Museum wieder öffnen darf. Alchi liegt im indischen Unionsterritorium Ladakh mitten im Himalaya auf einer Höhe von 3500 Metern. Das Gebiet ist weitgehend hochgebirgig und äußerst dünn besiedelt. Kenner bezeichnen Ladakh wegen seiner landschaftlichen Schönheit und der dort herrschenden tibetisch-buddhistischen Kultur gern als Klein-Tibet. Die Klosteranlage Alchi gehört zu den besterhaltenen, aber auch stark gefährdeten Anlagen im Himalaya. In ihren Mauern finden sich Tausende von Malereien aus dem 11. Jahrhundert, die zu den frühesten und erlesensten Beispielen buddhistischer Kunst zählen.

Einmalige Sondergenehmigung

Sollten die Museen weiterhin geschlossen bleiben, bieten sich auch ohne Museumsbesuch zwei Möglichkeiten, sich den Kunstwerken von Alchi zu nähern. Zum einen bietet das MARKK in seinem Youtube-Kanal mehrere Führungsvideos durch die Ausstellung mit Peter van Ham an. Zum anderen gibt es einen Bildband, in dem man die Schätze von Alchi ganz nah betrachten kann. Vom ausschließlich englischen Begleittext sollte man sich nicht abschrecken lassen.

Im Jahr 2017 erhielt der Fotograf Peter van Ham vom Dalai Lama die einmalige Sondergenehmigung, „Alchis Kunstwerke in höchstmöglicher Auflösung zu fotografieren“. Diese Fotografien – annähernd in Orginalgröße (4,60 Meter) – sind nun im MARKK zu sehen. Die Ausstellung nimmt im Museum nur einen Raum ein, aber die Größe der Statuen lässt die Faszination, die diese Figuren im Original in Alchi ausstrahlen mögen, erahnen.

Alchis detailreiche und miniaturähnliche Kunstwerke gewähren faszinierende Einblicke in das geistliche und weltliche Leben des mittelalterlichen Kaschmir und Westtibet. Deren Einflüsse reichen von Indien und Tibet über Zentralasien und den Iran bis nach Griechenland und zeigen einerseits die Weltoffenheit der buddhistischen Lehre, andererseits dokumentieren sie überregionale Verbindungen und territoriale Ansprüche ihrer Erbauer.

MARKK-Direktorin Barbara Plankensteiner findet besonders „die kulturellen Verflechtungen, die sich in diesen Malereien stilistisch und inhaltlich spiegeln“ bemerkenswert. „Sie zeugen davon, dass auch vor mehr als 1000 Jahren Kontakte zwischen weit entfernten Kulturen bestanden, was heute häufig vergessen wird“, erklärt sie. Nach den Worten der Kuratorin der Ausstellung, Susanne Knödel, spiegelt die Ausstellung aber auch „das Dilemma zwischen der bestimmungsgemäßen Nutzung eines religiösen Raums und seiner Wahrnehmung und Erhaltung als Kunstschatz – ein Thema, das auch in Deutschland vielerorts aktuell ist.“

Keine schönen Urlaubsbilder

Für den Fotografen Peter van Ham wird mit der Hamburger Ausstellung „ein Traum wahr“ – er wünscht sich aber auch, dass „möglichst viele Menschen meine Begeisterung teilen und sich motivieren lassen, einen Beitrag für die Erhaltung von Alchi zu leisten“.

Die Fotografien, die van Ham gemacht hat, sind keineswegs nur schöne Urlaubsbilder. Durch die hohe Auflösung dienen sie auch Wissenschaftlern für Studienzwecke. So werden etwa verblasste und übermalte Inschriften wieder sichtbar. Dadurch konnte beispielsweise der Gründungszeitpunkt Alchis auf das Ende des 11. Jahrhunderts festgelegt werden – zwei Jahrhunderte früher, als man bisher vermutete.

Buch-Tipp
Peter van Ham: Alchi. Treasure of the Himalayas.
Hirmer Verlag 2018, 420 Seiten, 60 Euro.

Das Buch können Sie hier bestellen. 
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