Der unsichtbare Feind im Glas – Fragen und Antworten zu K.-o.-Tropfen
München, Mainz (epd). Stimmung und Spaß: In der Fastnachtssaison gibt es wieder jede Menge Partys. Vor allem Mädchen und Frauen fürchten sich allerdings oft, dass ihnen beim Feiern unbemerkt K.-o.-Tropfen ins Glas gegeben werden. Seit einigen Jahren kann man Armbänder mit Testfeldern kaufen, die die Tropfen im Getränk nachweisen sollen. Doch sollte man sich damit nicht in falscher Sicherheit wiegen, warnen Experten. Fragen und Antworten rund um K.-o.-Tropfen:
Was sind K.-o.-Tropfen?
Zu den gängigen K.-o.-Tropfen zählen chemische Verbindungen wie die Gamma-Hydroxy-Buttersäure (GHB), Gamma-Butyrolacton (GBL) und 1,4-Butandiol, sagt Toxikologe Florian Eyer von der Technischen Universität München: „Sie bewirken eine zentrale Dämpfung, die zu Lethargie, Schläfrigkeit, Somnolenz und sogar Koma führen können.“ Typischerweise bestehe eine Erinnerungslücke um den Tatzeitpunkt herum. Manche Personen entwickelten auch Übelkeit oder Erbrechen. Die Folge: Die hilflosen Betroffenen können Opfer von Straftaten wie Vergewaltigungen werden, ohne dass sie sich später erinnern können.
Wie funktionieren Armbänder mit Testfeldern, auf die man einen Tropfen seines Getränks träufelt?
„Die uns bekannten Armbänder weisen vor allem den eigentlichen Wirkstoff GHB nach. Ob sie zuverlässig auch die Vorläufersubstanzen wie Gamma-Butyrolacton (GBL) und 1,4-Butandiol detektieren, ist nicht sicher und unterscheidet sich wahrscheinlich auch von Hersteller zu Hersteller“, erklärt Toxikologe Eyer. Wichtig ist: „Zu beachten ist auch, dass andere K.-o.-Substanzen verabreicht werden können, wie Benzodiazepine oder manche Neuroleptika. Diese werden durch die Armbänder nicht nachgewiesen, sodass man sich in vermeintlicher Sicherheit wiegt.“
Was sagen Vertreterinnen von Frauen- und Betroffenen-Organisationen?
Nina Fuchs war selbst Opfer von K.-o.-Tropfen und ist Vorstandsvorsitzende des Vereins „KO – kein Opfer“ in München, mit dem sie sich für Betroffene von K.-o.-Tropfen und sexualisierter Gewalt einsetzt. Sie sagt: „Wir sehen die sogenannten Testarmbänder extrem kritisch.“ Sie testeten nur eine Substanz und in der Praxis habe sich gezeigt, „dass diese Bänder beispielsweise bei farbigen Getränken teilweise fehlerhafte Ergebnisse liefern“.
Viel wichtiger sei jedoch ein anderer, grundlegender Kritikpunkt: Solche Produkte wälzten die Verantwortung fälschlicherweise auf die potenziellen Opfer ab. „Stattdessen sollten wir den Fokus darauf legen, das Bewusstsein in der Gesellschaft zu stärken, Prävention zu fördern und die Täter konsequent zur Rechenschaft zu ziehen“, verlangt Fuchs. Auch Anette Diehl vom „Frauennotruf Mainz e.V.“ fordert mehr Aufklärung, Sensibilisierung und Achtsamkeit: Politiker und Politikerinnen, aber auch Akteure und Akteurinnen bei Festen, in Restaurants und Clubs sollten sich verantwortlich fühlen, für mehr Sicherheit zu sorgen.
Wie groß ist das Ausmaß des Problems?
Es gebe keine repräsentative Studie, die die Häufigkeit und Verbreitung von K.-o.-Tropfen erfasse, sagt Fuchs. Diehl erläutert: „Durch die das Gedächtnis beeinflussende Wirkung können sich die Betroffenen nicht mehr genau an das Geschehen erinnern und sind sich deshalb ihrer selbst sehr unsicher – das bedeutet, dass sie oft lange warten, bis sie berichten von dem, was passiert ist. Sie fühlen sich nicht selten mitschuldig. Die Scham ist groß und der Kontrollverlust macht dies noch schlimmer.“
Was kann man tun, um sich zu schützen?
Fuchs sagt: „Die bittere Realität ist, dass es keinen Schutz vor K.-o.-Tropfen gibt. Man kann das Risiko zwar minimieren, wie beispielsweise das Getränk niemals unbeaufsichtigt stehenzulassen und sich zu entfernen oder keine Getränke von Fremden anzunehmen, aber eine Sicherheit lässt sich dadurch nicht herstellen.“ Informiert und gut aufgeklärt zu sein, ist laut Fuchs wie Diehl die wichtigste Empfehlung, und niemals allein zu bleiben, sondern immer als Gruppe feiern zu gehen, die im Falle eines Verdachts oder einer plötzlichen Verhaltensänderung schnell reagieren kann. Die Anwesenheit von Freundinnen und Freunden könne auch helfen, eine mögliche Anschlussstraftat – wie etwa eine Vergewaltigung – zu verhindern.
Und wenn man den Verdacht hat, Opfer von K.-o.-Tropfen geworden zu sein?
Sollte ein Verdacht auf K.-o.-Tropfen vorliegen, sei es wichtig, sich sofort an eine vertrauenswürdige Person zu wenden und einen sicheren Ort aufzusuchen, sagt Nina Fuchs. Sie empfiehlt, eine Akutversorgung oder eine anonymisierte Spurensicherung in einer Klinik aufzusuchen oder sich direkt an eine Rechtsmedizin zu wenden. So könne eine medizinische Untersuchung und gerichtsfeste Beweissicherung ermöglicht werden, selbst wenn die betroffene Person noch unsicher sei, ob sie eine Anzeige erstatten möchte. In Bezug auf die Beweissicherung sei frühzeitiges Handeln entscheidend.
Der Toxikologe Eyer erklärt: „Um die Substanzen nachweisen zu können, müssen frühzeitig biologische Proben genommen werden.“ K.-o.-Tropfen sind nur für eine begrenzte Zeit im Blut oder Urin nachweisbar, sechs bis maximal zwölf Stunden. Nina Fuchs appelliert: „Denken Sie daran, dass Sie keine Schuld an dem haben, was passiert ist. Es gibt Unterstützung und Hilfe, sowohl medizinisch als auch psychologisch, um diese Erfahrung zu verarbeiten und die nächsten Schritte zu gehen.“