Der Krieg in einem Roman aus Zeichnungen

Großvater und Enkel sprechen über den Zweiten Weltkrieg. Aus den Erinnerungen des Älteren werden Zeichnungen des Jüngeren – so entsteht Sebastian Rethers Buch „Foc / Feuer“.

Ein Offizier mit Schweinegesicht – Szene aus Sebastian Rethers "Foc / Feuer"
Ein Offizier mit Schweinegesicht – Szene aus Sebastian Rethers "Foc / Feuer"Sebastian Rether/Edition Büchergilde

Hamburg. Die Erinnerungen sind Stückwerk. Fragmente. Nur einige zarte Linien auf weißem Papier. Ein geschwungener Bogen: Ein Berg. Manchmal erzählt ein schlichter Satz, worum es geht. „Ich musste zum Wehrdienst nach Elisabethstadt einrücken“, steht dort. Die klaren Buchstaben erinnern an Schreibmaschinenschrift, serifenlos, die Schnörkel fehlen.
Zeichnen, Festhalten, Schweigen. Darum geht es in der Graphic Novel „Foc / Feuer“, einer gezeichneten Geschichte, von Sebastian Rether. 2011 entstand sein Werk als Abschlussarbeit an der Kunsthochschule Konstanz. Nun kommt es auf den Buchmarkt. Aber darum ging es dem 30-Jährigen nicht. „Das ist eine Arbeit für meinen Großvater und für mich“, sagt er. Es geht um die Erinnerung eines Zeitzeugen und die grafische Interpretation eines Nachgeborenen.

Sein Großvater erzählte immer wieder

„Als ich in dem Alter war, in dem mein Großvater Soldat wurde, begann er immer wieder zu erzählen“, erinnert sich Rether. Ich hatte bald das Gefühl, ich müsste etwas daraus machen.“ Zugleich schrieb sein Großvater seine Erinnerungen nieder. Die spartanischen Texte und die Kapitelüberschriften im Werk „Foc“ entstammen diesem Manuskript.

Rethers Großvater, der im Oktober 99 wird, erzählte häufig. Von der Einberufung 1939 als Soldat der rumänischen Armee, von der Zeit bei der deutschen Wehrmacht, der russischen Gefangenschaft, von Flucht, Hunger, zerstörten Dörfern, despotische Offizieren. Vom Krieg 1939 bis 1945, von Wegen durch ganz Europa. Aber auch von Sonntagsessen, Wiedersehen. Lachen und Weinen liegen nah beieinander. „Genauso erzählt mein Großvater die kleinen Pointen“, sagt Sebastian Rether (Foto). Die historischen Fakten erklärt der Illustrator nicht, es bleibt eine subjektive Schilderung. Wer möchte, könne die Geschichte recherchieren, meint er.

Wie der Titel entstand

Reduzierung und Klarheit – darum ging es dem jungen Künstler in Wort und Bild. So beginnt das Buch: „Foc“. „Ich wollte einen Titel, der möglichst prägnant ist“, erklärt er. Das französische „Foc“ wird im Deutschen mit „Feuer“ übersetzt. So hieß das Pferd seines Großvaters. Auch seine Striche, digital gezeichnet mit Pinselstärke 0,2, sind dünn und doch so prägnant wie möglich.
Prägnant sind auch die Situationen, die Rether schildert. „Regnerischer Tag“ heißt ein Kapitel. Es zeigt die Soldaten, die Liegestütze machen – im Schlamm auf Anordnung eines Offiziers, sein Gesicht ist das eines Schweines. Denn der Künstler zeichnete Menschen mit Tiergesichtern. „Mir war die Geschichte zu Beginn zu privat. Ich wollte eine Distanz schaffen“, erklärt Rether seine künstlerische Entscheidung. Seinen Großvater zeigt er als Hund. „Ich dachte, dass ein Hund ausdauernd, aber auch folgsam ist. Er denkt und hinterfragt nicht.“ Zugleich erlebte dieser, als „deutscher Hund“ beschimpft zu werden.

"Noch gibt es Zeitzeugen"

Die Gesichter sind leer, sobald sie Helme tragen. „Dann sind sie austauschbar, eine Masse“, so Rether. Menschen werden zu Tieren, Tiere zu Menschen. Die Pferde, um die sich sein Großvater als Meldereiter kümmern musste, scheinen ihm manchmal am nächsten zu sein. Doch auch Panzer sind Schildkröten, Flugzeuge Vögel. Rether wollte keine Kriegswaffen zeichnen.
Der junge Künstler möchte, dass die Geschichte seines Großvaters nicht in Vergessenheit gerät. „Vielleicht animiere ich auch andere junge Leute, mit ihren Großeltern zu reden“, sagt er, „noch gibt es Zeitzeugen.“
Info
Das Buch ist in der Evangelischen Bücherstube hier bestellbar.
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