Der Herr der Bienen

Er züchtet so viele Bienen wie der Kirchenkreis Mecklenburg Mitglieder hat: Jonas Görlich ist Pastor in Lohmen – und als Imker Herr über 150.000 Insekten.

Jonas Görlich, geschützt durch Imkeranzug und Haube, bei seinem Hobby
Jonas Görlich, geschützt durch Imkeranzug und Haube, bei seinem HobbyChristian Meyer

Lohmen. Dass er als Hobbyimker quasi in die Fußstapfen einer seiner Vorgänger als Lohmener Pastor tritt, hatte Jonas Görlich nicht im Blick. Doch nachdem sich vor gut drei Jahren im Dorf herumgesprochen hatte, der neue Gemeindeseelsorger wolle sich auch um Bienen kümmern, ging ein Ruck durchs Dorf. Auf Dachböden und Kellern kramten Bewohner noch gut erhaltene Imkerutensilien hervor und gaben diese im Pfarrhaus ab.

Zudem erinnerten sich einige, dass einst Pastor Karl-August Brandt geimkert hatte. Er war es auch, der eigens dafür den Obstgarten mit Kirsch- und Apfelbäumen am Pfarrhaus anlegte – bis heute eine Oase der Ruhe, der reichen Ernte und besonders der köstlichen Labsal für Bienen.

Imkerei als Ausgleich

„Amtstracht – Der Pfarrgartenhonig“ steht auf den schön gestalteten Etiketten der Honiggläser, die im Lohmener Pfarrhaus im Regal stehen. Doch wie kam Pastor Görlich überhaupt auf dieses Hobby? Wollte er dem kleiner werdenden Kirchenvolk einfach mal etwas entgegensetzen? Schließlich zählt er inzwischen fünf Völker mit je 25 bis 30 Tausend Insekten. Das sind rund 150.000 Bienen und damit genauso viele wie der Kirchenkreis Mecklenburg aktuell an Christenmenschen zählt.

Nein, mit seiner Kirchengemeinde, dem Gemeindeleben, Projekten wie dem Pfarrstall sowie dem Erhalt des Dreiseitenhofes samt Kirche sei er ausgelastet. „Überhaupt macht mir die vielfältige Gemeindearbeit, der Kontakt zu den Menschen total Spaß.“ Dennoch fröne er gern zum Ausgleich der Imkerei, bekennt der 38-Jährige.

Im vergangenen Jahr kamen rund 300 Gläser Honig zusammen.
Im vergangenen Jahr kamen rund 300 Gläser Honig zusammen.Christian Meyer

„Drei Beuten – das sind die Behausungen der Bienen – stehen in Lohmen und zwei weitere auf dem Badendieker Friedhof“, erzählt der Theologe. „Eine Mitsängerin im Rostocker Mottenchor hat mich auf die Honigbienen gebracht. Sie erzählte begeistert von der Öko-Imkerei, die angeblich ganz von allein läuft. Der Imker müsse nur ab und zu mal in die Völker schauen“, erinnert sich Jonas Görlich. Das klang gut, und er legte los.

Wespen machten Volk Garaus

Es endete im Desaster. Von allein lief die Imkerei eben doch nicht. Und dann machten Wespen und Hornissen seinem ersten Volk den Garaus. „Ich hatte keinen Imkerkurs gemacht und war völlig ahnungslos.“

Doch das Fieber hatte Jonas Görlich gepackt. Er bekam klassische Segeberger Beuten geschenkt und startete neu. „Die Natur in Lohmen und Umgebung mit Obstbäumen, Linden-, Robinien- und Ahornbäumen sowie Feldern mit Facelia ist perfekt für guten Honig“, sagt der Imkerpastor und zündet kleine Weidenstücke an und versenkt diese im Smoker, die auch Imkerpfeife genannt wird.


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Die Bienen fliegen eifrig um das Anflugbrett der Beuten umher. Überall summt und brummt es. Mit dem Rauch aus dem Smoker beruhigt Jonas Görlich das erste Volk. Geschützt mit Imkeranzug und Haube entnimmt er ein Wabenrähmchen nach dem anderen. „Ich schaue, ob es den Bienen gut geht und ob die gefüllten Waben schon verdeckelt und erntereif sind. Denn erst dann kann geschleudert werden.“

Honig als Geschenk

Im Vorjahr kamen 160 Kilo Amtstracht zusammen. „Da sind gut 300 Honiggläser, die ich oft als Geschenke weiterreiche.“ Jetzt müsse er sich keinen Kopf mehr machen, welches Büchlein für wen in der Gemeinde passen könnte. „Zudem verschenke ich mit dem Honig ein Stück von mir. Oft kommen wir dabei ins Gespräch – über Bienen, den Ort, das Leben, den Glauben“, so Pastor Jonas Görlich, der als Stadtmensch in Braunschweig aufwuchs und sich jetzt auf dem Land sichtlich wohl fühlt. Zur Kirchengemeinde Lohmen gehören immerhin 30 Dörfer, sechs Kirchen in Badendiek, Bellin, Kirch Kogel, Kirch Rosin, Lohmen, Zehna und ein Gemeindehaus in Zehna sowie das Pfarrhaus mit Nebengebäuden im Lohmen – recht typisch für die kirchlichen Strukturen in Mecklenburg.

Gern gibt der Theologe sein Wissen und seine Begeisterung für Bienen weiter. „Unlängst war ich in der Freien Schule in Güstrow und stellte erstaunt fest, wie präsent die Imkerei bei Kindern durch manche Großeltern und Eltern noch ist.“ Seit Kurzem gibt es in der Gegend einen weiteren Imker. Der stammt aus der Ukraine, war Berufsimker und kam Anfang März mit der Rücktour eines Hilfskonvois nach Mecklenburg.

Volltreffer! Eine Biene landet auf einer Blume
Volltreffer! Eine Biene landet auf einer BlumeAnnette Meyer / Pixabay

Früher sagte man: „Das Flugwesen, es entwickelt sich.“ In Lohmen wird der Spruch aus Sostschenkos „Die Kuh im Propeller“ ganz neu interpretiert. Doch jetzt muss die Tage erst einmal kräftig geschleudert werden, sagt Pastor Jonas Görlich. „Mal schauen, wie viele Gläser Früh- und Sommertracht dieses Jahr zusammen kommen.“ Ein zufriedenes Lächeln huscht ihm dabei über sein Gesicht.

Symbiose aus Kirche und Dorf

Wohl auch, weil es ebenso am Pfarrstall-Projekt von Lohmen weiter vorangeht. Denn eine „Symbiose von Dorf und Kirche“ steht für den Pastor obenan. Umtriebig wie seine 150.000 Bienen, setzt sich Pastor Jonas Görlich gemeinsam mit dem Kirchengemeinderat seiner Kirchengemeinde, dem Bürgermeister und weiteren Engagierten seit Jahren dafür ein. Dem Ort und dem Zusammenhalt der Menschen tut das genauso gut wie täglich ein Löffel Honig, am besten von der Sorte „Amtstracht – dem Pfarrgartenhonig“ aus Lohmen.