Der Heilige Geist wirkt im Akkord

Mehr als den eigenen Ausweis braucht es nicht, um sich in der Oldenburger Lambertikirche taufen zu lassen. Das niedrigschwellige Angebot ist zum Erfolg geworden.

Pastorin Anja Kramer tauft Mara (4), die von ihrem Vater gehalten wird
Pastorin Anja Kramer tauft Mara (4), die von ihrem Vater gehalten wirdJörg Nielsen / epd

Oldenburg. In der altehrwürdigen Oldenburger St. Lambertikirche herrscht ein reges Kommen und Gehen. Immer wieder treten kleine oder größere Gruppen vor den Altar, um sich um eine mit weißen und orangen Blüten geschmückte Taufschale zu versammeln. Insgesamt 20 Mal stellen die evangelischen Pastorinnen Beate Bühler-Egdorf, Susanne Duwe, Anja Kramer und Gesa Schaer-Pinne an diesem Nachmittag die entscheidende Frage: „Willst du getauft werden?“

Was wie eine Massenabfertigung anmutet, ist tatsächlich immer wieder aufs Neue eine kleine, aber feine und intime Zeremonie: Auch wenn für Vorgespräche nur wenige Minuten Zeit blieb, sprechen die Pastorinnen die Täuflinge, Eltern und Paten sehr persönlich an. Die strahlenden Gesichter im Anschluss geben davon ein deutliches Zeugnis.

Applaus für die neue Christin

Auch die 17-jährige Neele antwortet auf die Tauffrage mit „Ja, mit Gottes Hilfe“. Dem von einer Karte abgelesenen Glaubensbekenntnis ist direkt die Taufe angeschlossen. Dreimal wird ihre Stirn mit Wasser benetzt. Nach einer Taufformel folgen das Vater-Unser-Gebet und ein Segen. Popkantorin Sarina Lal singt ein Lied, und die versammelte Gemeinde applaudiert der neuen Christin. Alles in allem dauert die Zeremonie keine zehn Minuten.

Die Brüder Alexander (M.) und Christian Rieck lassen sich von Pastorin Susanne Duwe taufen
Die Brüder Alexander (M.) und Christian Rieck lassen sich von Pastorin Susanne Duwe taufenJörg Nielsen / epd

Neele wurde nicht als Kind getauft, weil der Vater evangelisch, die Mutter aber katholisch war. Als ihre Mutter ihr von der Aktion erzählte, habe sie nicht lange nachdenken müssen, sagt sie. Dass sie sich irgendwann taufen lassen wollte, sei für sie längst klar gewesen. „Mir ist es schon wichtig, unter Gottes Schutz zu stehen und von ihm begleitet zu werden.“

Pastorin Susanne Duwe berichtet zwischen zwei Taufen, die Motivation der Menschen, sich spontan taufen zu lassen, sei sehr unterschiedlich. „Die einen tragen den Gedanken schon lange in sich, den anderen fehlt das Geld für eine große Tauffeier im Kreise der Familie. Wieder andere konnten bislang keine Paten finden.“ Die Idee zur „Taufe to go“ habe sie im dänischen Kopenhagen kennengelernt, sagt sie. „Wir wollten die Taufe so einfach wie möglich machen, ohne bürokratisches Tamtam.“

Corona kam dazwischen

Mit großen Augen verfolgt auch die vierjährige Mara das Geschehen bei ihrer Spontan-Taufe. Sie zündet mit der Hilfe ihres Vaters am Ende ihre Taufkerze an der großen Osterkerze an. Ihre beiden älteren Brüder seien bereits getauft, „aber bei Mara ist uns Corona dazwischen gekommen“, sagt ihr Vater. „Die Taufe gehört bei uns einfach dazu.“


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Insgesamt 16 Familien sind an diesem Nachmittag in die Kirche gekommen. Getauft werden Babys, Teenager, erwachsene Männer und Frauen. Damit es vor dem Altar kein Gedränge gibt, haben Gemeindesekretärinnen zuvor bei der Aufnahme der persönlichen Daten Nummern verteilt. Immer wieder streifen die Pastorinnen in ihren Talaren durch die Reihen und fragen die Gesellschaften nach ihren Nummern.

Die Brüder Christian (27) und Alexander (25) Rieck – sie haben die Nummer elf erhalten – brauchten einen kleinen Anstoß von außen zur Taufe. „Wir arbeiten in kirchlichen Kindergärten“, sagt Christian. Beide sind lässig mit T-Shirt, kurzen Hosen und Sneakers gekleidet. Die Chefin habe deutlich gemacht, dass eine Festanstellung nur mit vorheriger Taufe möglich sei, sagt er und grinst. „Aber das ist schon in Ordnung. Im Grunde trägt doch der Glaube unsere Arbeit.“

Was die Pastorin den Kritikern sagt

Geplant war die Taufaktion von 15 bis 17 Uhr für zwei Stunden. „Wir haben schon überlegt, was wir machen, wenn niemand kommt“, verrät Duwe, während in der Kirche nach mehr als drei Stunden die 20. und letzte Taufe des Tages vollzogen wird. „Mit einem solchen Erfolg haben wir nicht gerechnet. Ob es wirklich Zufall war, dass wir genau 20 Taufkerzen dabei hatten, sei dahin gestellt“, sagt sie und lacht.

Natürlich gebe es auch Kritiker, die den ernsten Sinn der Taufe schon beim Titel „Taufe to go“ in Gefahr sehen. Doch die verweist Duwe auf den sogenannten Taufbefehl am Ende des Matthäus-Evangeliums in der Bibel. Dort beauftrage Jesus seine Jünger, die Menschen zu taufen. Erst danach folge die Anweisung, die Getauften zu unterrichten. „Und ob und wie die Taufe wirkt – das können wir getrost dem Wirken des Heiligen Geistes überlassen“, sagt die Pastorin. (epd)