Der Bischof, der lieber Pastor sein möchte

Die Synode erfährt vom Rücktritt zu Beginn ihrer Sitzung. Die Mitglieder des Kirchenparlaments reagieren erst überrascht – und danken dann Jan Janssen. Wie es jetzt weitergeht.

Jan Janssen im Juli 2012 bei einem Zukunftskongress der Oldenburger Kirche
Jan Janssen im Juli 2012 bei einem Zukunftskongress der Oldenburger KircheJens Schulze / epd

Rastede/Oldenburg. Die Nachricht schlägt ein wie die sprichwörtliche Bombe: Gleich zu Beginn der Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg verkündet Synodenpräsidentin Sabine Blütchen den erstaunten Delegierten mit nüchternen Worten den Rücktritt ihres Bischofs Jan Janssen. Anschließend tritt der 54-Jährige, der sich jetzt nur noch "Pfarrer Janssen" nennen darf, ans Rednerpult. Er dankt für das Vertrauen in neun Amtsjahren und bittet um Verständnis für seinen Schritt. "Ich bin Pastor", sagt er. Last und Bürde des Amtes seien zu viel geworden. Die konsternierte Synode antwortet mit einem langanhaltenden Klopfen mit den Knöcheln auf den Tischen.
Sichtlich bewegt und nach Worten ringend dankt Kreispfarrer Michael Braun aus Lohne dem ehemaligen Bischof für dessen Arbeit. Er spricht von "Dank und tiefem Respekt" der Kirchenleitung. Janssen habe stets seinen persönlichen Glauben in den Mittelpunkt seiner Arbeit gestellt.

Neue Aufgabe angedeutet

Wie es mit ihm weitergeht, kann Janssen nur andeuten. Im Nebenamt ist er seit Jahren für die EKD "im Horizont von Ökumene und Mission" tätig gewesen. Seit 2010 ist er Vorstandsvorsitzender des Evangelischen Missionswerks in Deutschland. Das solle ihm nun den persönlichen Weg weisen. Nach den Jahren als Bischof will er einen Neuanfang als Pastor "in Verkündigung und Seelsorge an der Basis vor Ort". Eine Stelle außerhalb der oldenburgischen Kirche habe er bereits im Blick, doch sei das Bewerbungsverfahren noch nicht abgeschlossen. Auf die Frage einer Journalistin, ob der Abstieg vom Bischof zum Angestellten nicht vergleichbar sei mit dem Wechsel von einem Luxusauto auf ein Fahrrad, antwortet Janssen mit einem Lächeln: "Ich habe auch mein Bischofsamt mit dem Fahrrad ausgeübt."
Damit die Kirche handlungsfähig bleibt, hat die Kirchenleitung "Pfarrer Janssen" bis Ende Januar mit der Vertretung des Bischofsamtes beauftragt. Nach einer kurzen Kaffeepause tritt er darum wieder an das Pult und bringt den Bericht der Kirchenleitung ein. Vielen Synodalen fällt es schwer, einfach zur Tagesordnung zurückzukehren. Doch schließlich siegt die Routine.

Sonder-Synode im Januar

Im Januar soll eine Sonder-Synode über das weitere Verfahren entscheiden. "Bischofsstellen werden nicht in Stellenanzeigen ausgeschrieben", sagt Präsidentin Blütchen. Es gebe einen ständigen Wahlausschuss, der sich nun auf die Suche nach geeigneten Kandidaten oder eine geeignete Kandidatin machen werde. Sie hoffe, dass im kommenden Jahr die Synode eine neue Bischöfin oder einen neuen Bischof wählen könne.
Janssen, der in Münster, Bern und Göttingen Theologie studierte, war kein Bischof der lauten populären Worte, der mit forschen Forderungen die Richtung vorgibt. Er hat stets versucht, seine Kirche eher sanft zu bewegen. "Die Kirche lebt von den Menschen, die haupt- und ehrenamtlich in ihr arbeiten", lautet einer seiner Glaubenssätze. Eine selbstbewusste Kirche müsse die Menschen beteiligen. Er wollte die Kirche nicht autoritär leiten, sondern zuhören und Fragen stellen. "Nur so können wir gemeinsam Antworten entwickeln."
Besonders wichtig ist ihm der Kontakt zu den Menschen in den Gemeinden. Seine Predigtreihe zum Reformationsjubiläum führt ihn im vergangenen Sommer kreuz und quer durch das Oldenburger Land in Dorfkirchen, die andere erst im Internet googeln müssen. Auch auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise besucht er vor allem kleine kirchliche Projekte am Rande, wie eine Fahrradwerkstatt in Berne oder ein Nähtreff für Einheimische und Flüchtlingsfrauen in Dinklage.

Fußball ist seine Leidenschaft

Während seiner Zeit als Pastor beim Deutschen Evangelischen Kirchentag von 2002 bis 2008 habe er verstanden, dass die Kirche abhängig ist von den "Experten des Alltags", wie Janssen die Ehrenamtlichen nennt, sagt er. Wie das praktisch aussehen kann, hat seine Kirche mit dem Zukunftskongress 2012 gezeigt. Rund 1.100 Delegierte aus allen Kirchengemeinden der Landeskirche diskutierten zwei Tage lang den künftigen Kurs unter dem Motto "Ein Land das ich dir zeigen will – Auf dem Weg in das Jahr 2030".
Janssen hat seine Kirche und deren Musik auch mit seiner Leidenschaft für den Jazz geprägt. Und er hat künftig wieder Zeit und Raum für seine anderen privaten Leidenschaften: Radfahren und Fußball – im Stadion des SV Werder Bremen oder auf dem Bolzplatz. Denn ein anderer Glaubenssatz des Bischofs lautet: "Laufen ohne einen Ball am Fuß ist Quatsch."(epd)