Der Anti-Akw-Pastor von Brokdorf

Jeden Monat treffen sie sich vor dem Kernkraftwerk in Brokdorf um zu protestieren. In der kleinen Gruppe ist immer Pastor Hans-Günter Werner dabei, für den der Prostest aktuell bleibt – trotz des Ausstiegs aus der Atomkraft.

Friedlicher Protest: Der pensionierte Pastor Hans-Günter Werner (2.v.r.) aus Wedel mit Demonstranten vor dem Atomkraftwerk in Brokdorf
Friedlicher Protest: Der pensionierte Pastor Hans-Günter Werner (2.v.r.) aus Wedel mit Demonstranten vor dem Atomkraftwerk in BrokdorfPrivat

Brokdorf/Wedel. Kein Atomkraftwerk in Deutschland war so umkämpft wie der Meiler in Brokdorf. Zigtausende Gegner lieferten sich in den 70er- und 80er-Jahren heftige Schlachten mit der Polizei, um Bau und Inbetriebnahme zu verhindern. In dieser Zeit sah man viele Gegner mit dem knallgelben „Atomkraft? Nein danke“-Button am Strickpulli oder Parka. Sind sie nun ein Relikt vergangener Zeiten? Für Hans-Günter Werner aus Wedel noch lange nicht. Der 70-jährige Pastor in Rente nimmt seit mehr als 30 Jahren an jedem 6. eines Monats an der Mahnwache vor dem Atomkraftwerk (AKW) Brokdorf teil. Das Ziel seiner Bewegung: Der Betrieb soll sofort eingestellt werden und nicht erst 2021, wie von der Regierung geplant.
Die Tatsache, dass Deutschland aus der Kernenergie aussteigt, scheint Werner nicht zu genügen. Mit Pastoren und Mitarbeitern der Nordkirche, den Basisgemeinden Wulfshagener Hütten und Wedel, Anti-AKW-Gruppen und besorgten Anwohnern hält er die Mahnwachen in Form von Andachten aufrecht. Egal bei welchem Wetter: „Es ist noch keine ausgefallen“, betont er. Es wird gesungen, eigene Standpunkte vorgestellt, gegessen und am Gedenkstein der Toten, Verletzten und Vertriebenen von Tschernobyl sowie an die Opfer von Hiroshima gedacht, die beim Atombombenabwurf am 6. August 1945 starben.

Prostest bis zur Stillegung

Die Gegner möchten mit ihrem Protest friedlich sein. Deshalb wird die Zufahrt nur noch halb blockiert, auch der Umgang mit der Polizei ist freundlich. Sie dürfen sogar als stehender Korso im Halteverbot vor dem Kraftwerk parken. „Der Betrieb des AKW ist nicht erforderlich, da in Deutschland inzwischen viel mehr Strom produziert als verbraucht wird“, betont er. Zudem sei die Gefahr, die von dem Meiler ausgehe, viel zu hoch. „Wir haben uns verpflichtet, solange die Mahnwachen abzuhalten, bis das AKW stillgelegt wird“, so Werner. Auch, um den Mitarbeitern des Werkes beizustehen. „Wir sind ja nicht gegen sie, sondern für die Umwelt. Die Mitarbeiter bedanken sich sogar bei uns, dass wir sie nicht vergessen“, betont er. Die Angst vor einer Reaktorkatastrophe sei auch bei ihnen groß.
Dass Werner so beharrlich ist, liegt an seinem Glauben. Mit 18 Jahren ging er nach Berlin, um Theologie zu studieren. „Ich war unbedarft und wollte das Evangelium verkünden“, blickt er zurück. Doch in den 60er-Jahren gehörten politische Diskussionen zum Alltag, in ihm wuchs der Wunsch, „das kirchliche Establishment christlich zu unterwandern“. Denn „Jesus geht es in seiner Botschaft um Gerechtigkeit und Solidarität“, sagt er. Darin sieht er auch den Grund für seine Ausdauer bei der Mahnwache: „Wir müssen uns wie Jesus als Kinder Gottes verstehen, die auch Wunder geschehen lassen können und sich nichts gefallen lassen müssen“, beschreibt Werner. Er kämpft für eine Welt, in der sich für ihn alles um Gerechtigkeit in der Arbeitswelt, um Frieden und eine heile Umwelt dreht. 
Der Brokdorfer Meiler ist in diesen Tagen wieder Thema: Bei einer Kontrolle wurde Rost an den Brennstäben festgestellt. Die Atomaufsicht verbot vorrübergehend das Wiederanfahren. Weil keine Gefahr bestand, darf der Betreiber nach fünf Monaten das Atomkraftwerk wieder hochfahren, allerdings erst einmal nur mit 88 Prozent seiner Leistung.