„Demminer Trauertuch“ wird enthüllt

Etwa 1000 Kreuze sind zu einem großen Tuch zusammengenäht worden. Mit der Hilfe von Freiwilligen aus dem In- und Ausland will die Kirchengemeinde an die Toten von 1945 erinnern.

Twinlili / Pixelio

Demmin. Mit einem besonderen Projekt gedenkt die evangelische Kirchengemeinde Demmin (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte) am morgigen Freitag des Kriegsendes und der Opfer des Krieges. Während einer Andacht um 16 Uhr in der St. Bartholomaei-Kirche werde das „Demminer Trauertuch“ erstmals der Öffentlichkeit präsentiert, sagte Pastor Karsten Wolkenhauer am Donnerstag dem epd. Für das Tuch waren im Gedenken an die Toten des Kriegsendes im vorpommerschen Demmin rund 1.000 Kreuze zu einem einzigen großen Patchwork-Tuch zusammengenäht worden.

In und um Demmin gab es Historikern zufolge vom 30. April bis 3. Mai 1945 einen der größten Massensuizide in Deutschland. Im April 1945 hatte die Rote Armee den Ort besetzt. Deutsche Soldaten hatten Brücken über Flüsse gesprengt, so dass die Panzertruppen der Rotarmisten festsaßen und nicht nach Rostock vorstoßen konnten. Es kam zu Vergewaltigungen und gewalttätigen Auseinandersetzungen, wobei etwa 1.000 Menschen getötet wurden oder sich selbst umbrachten.

Eine verbindende Arbeit

Überlebende mussten in der DDR über die Zeit schweigen. Erst nach der politischen Wende wurde öffentlich über den Massensuizid gesprochen. Seit Jahren protestiert ein Aktionsbündnis aus Parteien, Vereinen und Gewerkschaften am 8. Mai gegen den sogenannten Fackelmarsch der rechtsextremen NPD, die das Gedenken mit einem sogenannten Trauermarsch für sich beansprucht. In diesem Jahr findet der Marsch nicht statt.

An dem zwei mal zwölf Meter großen Tuch arbeiteten und nähten seit Oktober 2019 viele Menschen im In- und Ausland, so Wolkenhauer weiter. So sei eine verbindende Arbeit entstanden, die Versöhnung möglich mache: „Wir wollten dem Mit-Trauern eine Möglichkeit geben – jenseits von jeder weltanschaulicher Gebundenheit.“ Unterstützung gab es auch aus dem dänischen Ribe, wo die Domgemeinde im Rahmen des Deutsch-Dänischen Freundschaftsjahres 2020 als bewusstes Zeichen der Versöhnung am Trauertuch mit genäht hat.

Lob von der Landesbischöfin

Nordkirchen-Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt würdigte in einem Grußwort die Initiative der Gemeinde: „Das bewegende Projekt des Demminer Trauertuches verleiht der Trauer um die Toten und der Würde jedes beendeten Menschenlebens sichtbaren Ausdruck.“ Sie erinnerte daran, dass der 8. Mai für Menschen in der ganzen Welt „der Tag der Befreiung von nationalsozialistischer Gewalt- und Terrorherrschaft“ war.

Die Erinnerung sei wichtig, so die Landesbischöfin weiter, „weil wir sie den Opfern und ihren Hinterbliebenen schuldig sind – sie dient der Anerkenntnis und dem Gedenken dessen, was ihnen angetan wurde“. Zur wahrhaftigen Erinnerung sei jede Generation um der folgenden Generation willen verpflichtet, damit sich die Geschichte nicht wiederhole. „Deshalb ist es wichtig, dass über erlebte Geschichte nicht geschwiegen, sondern gesprochen wird.“ (epd)