Dem Hafen ein menschliches Gesicht geben

Kurz nach der Wiedervereinigung kam Folkert Janssen nach Rostock und baute den Seemannsclu „Hollfast“ auf. Jetzt geht der Seemannsdiakon in den Ruhestand.

Seemannsdiakon Folkert Janssen mit seiner Nachfolgerin Stefanie Zernikow
Seemannsdiakon Folkert Janssen mit seiner Nachfolgerin Stefanie ZernikowNicole Kiesewetter

Rostock. Zum Ende des Jahres ist Schluss für ihn: Mit 62 Jahren geht Folkert Janssen, Seemannsdiakon in Rostock, in den „selbstgewählten“ Ruhestand. Viele Jahre war er Seemannsdiakon in Brunsbüttel an der Elbe, bevor er 1991 nach Rostock kam, um die Seemannsmission im Überseehafen mit aufzubauen. „Ich habe irgendwann festgestellt, dass ich nichts anderes kann als Seemannsdiakon.“

1991, kurz nach der deutschen Wiedervereinigung, „da war das Fenster noch offen“, sagt Janssen, „da war noch vieles möglich“. Dieses Fenster habe er genutzt, gemeinsam mit dem Verband aller Seemannsmissionen, der Seemannsmission Bremen, der damaligen Seehafen Rostock AG, der Deutschen Seereederei und der damaligen Mecklenburgischen Landeskirche: Am 4. August 1991 wurde der Seemannsclub „Hollfast“ im Überseehafen mit einem Festgottesdienst in der Warnemünder Kirche eröffnet.

Antenne für die Atmosphäre

„Hollfast“ sei ein plattdeutscher Begriff und bedeute „Halt und Stütze“, erklärt Janssen. Menschen von Bord müssten einen Ort haben, wo sie hingehen können. „Unsere Aufgabe ist, den Häfen ein menschliches Gesicht zu geben“. Dazu gehöre für ihn und sein Team, bei Heuerproblemen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, für Seeleute Geld nach Hause zu überweisen, günstige Telefonkarten zu besorgen und Einkaufsfahrten in die Stadt inklusive Stadtführung anzubieten. „Wir sind die einzigen im Hafen, bei denen die Seeleute ins WLAN kommen.“

Rund 5.300 Seeleute besuchen jährlich den Club, dazu kommen für Janssen und seine Mitarbeiter rund 1.800 Bordbesuche. Dabei müsse man „eine Antenne“ für die Atmosphäre des Zusammenlebens entwickeln und ein Auge auf den Zustand der Unterbringung der Seeleute und der Hygiene an Bord haben. „Die Herde der schwarzen Schafe ist zwar immer noch Bestandteil unserer Arbeit“, sagt Janssen, „aber es gibt ja auch weiße Schafe“.

Zunehmend positiv wirke sich die seit 2013 international geltende Grundrechtecharta für Seeleute aus. „Ihre Ziele sind ein besserer Arbeitsschutz sowie garantierte Mindeststandards bei den Lebensbedingungen“, sagt Janssen. Dazu gehöre auch das Anrecht, Seemannsmissionen besuchen zu dürfen. „Das war vorher nicht immer so.“ Zudem können Seeleute jetzt medizinische Versorgung in einem Hafen in Anspruch nehmen und auch die Ruhezeiten sind klarer geregelt.

„Gefühl der Zufriedenheit“

Nachfolgerin von Janssen wird zum 1. Januar Stefanie Zernikow (36), seit 2016 Leiterin der Seemannsmission in Kiel. Neben ihrer Leitungserfahrung in der Seemannsmission bringe sie auch Erfahrungen im Speditionsgewerbe mit, so Arno Pöker, Vorsitzender des Vereins Deutsche Seemannsmission Rostock und ehemaliger Oberbürgermeister der Hansestadt.

Das weltweite Netz der Deutsche Seemannsmission zur Betreuung von Schiffsbesatzungen umfasst insgesamt 17 Auslands- und 16 Inlandsstationen. Mehr als 700 Frauen und Männer arbeiten weltweit haupt- und ehrenamtlich für die Deutsche Seemannsmission.

Nach 28 Jahren gehe er „mit dem guten Gefühl der Zufriedenheit“, bilanziert Janssen und freut sich darauf, „dass ich künftig da ‚ja‘ sagen kann, wo ich möchte“. Ein wenig stolz sei er vor allem auf eines: „Wir haben in einem entkirchlichten Umfeld eine Akzeptanz dafür erreicht, dass Kirche auch anders geht.“ Und gelernt habe er in dieser Zeit vor allem etwas Anderes: „Man braucht nicht viel, um ein Stück Menschlichkeit zu schaffen.“ (epd)