Das Matthäus-Evangelium auf Arabisch

Ein Gymnasium in Waren an der Müritz hat eine ungewöhnliche Bibliothek. Sie beherbergt auch eine mehr als 300 Jahre alte Bibel.

Lehrerin Kerstin Dolata zeigt die „Biblia Pentapla“ von 1711
Lehrerin Kerstin Dolata zeigt die „Biblia Pentapla“ von 1711Hans-Joachim Kohl

Waren. Verborgen hinter dem Vorhang der Aula des Warener Richard-Wossidlo-Gymnasiums führt eine schmale Tür in die Bibliothek. Die Dielen knartzen, und es riecht nach alten Büchern. Ein hoher Raum mit schmaler, abenteuerlich wirkender Empore beherbergt nur alte Bücher, die „neuen“ stehen in der Schülerbibliothek im Goethe-Haus. Abenteuerlich wirkt die Empore, weil sie rundum im Raum nur mit schmalen Winkeln an der Wand eingebaut ist, und die steile Treppe hinauf ist bestimmt auch nicht jedermanns Sache.

Dass es diese „historische Bibliothek“ überhaupt noch gibt, ist auch diesem verborgenen Raum zu verdanken, erzählt Kerstin Dolata, Kunst- und Geschichtslehrerin am Gymnasium. Neben den klassischen Sprachen – Griechisch und Latein – findet sich hier Literatur in allen modernen Sprachen, dazu der ganze schulische Fächerkanon, aber auch Psychologie, Philosophie, Mineralogie, Astronomie und vieles mehr.

„Toleranz des Glaubens“

Ein großer Bereich, es ist der erste (!), ist die Theologie und die Religionswissenschaft. Besonders bemerkenswert ist die „Biblia Pentapla“ von 1711. Sie bietet das Alte und Neue Testament in „fünffacher Deutscher Verdolmetschung, als der römisch-katholischen, der evangelisch-Lutherischen, der evangelisch-Reformirten, der Jüdischen …., der Holländischen“, „gedruckt und verlegt durch Hermann Heinrich Holle, Hoch-Fürstl. Hollstein, Gottorff, privilegirten Buchdrucker. Anno MDCCXI“. Sie ist auch besonders, weil sie 70 Jahre nach dem 30-jährigen Krieg mit seinen Kämpfen auch zwischen Katholischen und Evangelischen durchaus von der „Toleranz des Glaubens“ zeugt, eine katholische, zwei evangelische und eine jüdische Übersetzung der Bibel nebeneinander in einem Buch zu drucken.

Der eigentliche – ungenannte – Urheber der Biblia Pentapla war Johann Otto Glüsing, ein „kirchenkritischer protestantischer Theologe“ (so Wikipedia). Er schreibt in der Vorrede zur Biblia Pentapla: „Denn im Fall von einer Übersetzung irgendwo die rechte Deutung des Grund=Worts übersehen worden, so kan man gleich gegen über bey denen andern sich Rahts erholen. Ja obschon die eine Dolmetschung den Verstand wohl ausdrucket, so geben doch die andern solchem noch mehr Licht, durch ihre deutsche Synonyma, oder gleichgültige Wörter.“

Diese Toleranz gab es damals nicht überall. In manchen streng lutherischen Gebieten erschien die Bibel nicht. Deshalb verlegte H. H. Holle in den liberaleren, unter dänischer Hoheit stehenden nordelbischen Gebieten.

Neben dieser Bibel gibt es in der historischen Bibliothek des Wossidlo-Gymnasiums viele Arbeits- und Lesebücher zum Fach Religion, Bücher von Theodor Kliefoth, 18 Vorlesungen zum „Wesen des Christentums“ von Adolf von Harnack, das Matthäus-Evangelium auf Arabisch (!) von Johann Henrich Callenberg von 1741 und – zu guter Letzt – die „Neue evangelische Kirchenzeitung“ von der Nummer 12/1870 bis 14/1872, alles haarklein aufgeführt im Katalog über die historische Bibliothek von Susan Lambrecht vom August 1997. Mit diesem Katalog, so Kerstin Dolata, arbeitet sie noch heute.

Bücher kommen zurück

In einem ausführlichen Abschnitt schreibt Susan Lambrecht über die wechselvolle, teils abenteuerliche Geschichte der Bibliothek. Denn zu manchen Zeiten wurden Bücher der Bibliothek aus Geldmangel verkauft, um andere Bücher kaufen zu können. Teilweise wurden Bücher auch „weggegeben“, so sagt Kerstin Dolata, und einige von ihnen werden ihr gerade jetzt im Jahr des 150. Jubiläums der Bibliothek wieder angeboten, „weil die Bücher doch in die die Bibliothek gehören!“

Während der Vorbereitung des 150. Jubiläums besuchte Kerstin Dolata mit vier Schülern das Wossidlo-Forschungszentrum an der Uni Rostock. Dort konnten die Schüler Einblicke auch in die Zettelsammlung gewinnen. In ihr gibt es übrigens eine Rubrik über „Tauf- und Segenssprüche“ in Mecklenburg zur Zeit Wossidlos.

Im Stadtgeschichtlichen Museum in Waren/Müritz ist noch bis Ende September eine Ausstellung zu „Lehrerpersönlichkeiten am Warener Gymnasium“ zu sehen und im Müritzeum bis Mitte November die Ausstellung „Mehr als eine Schule – 150 Jahre Richard-Wossidlo-Gymnasium“.

Info
Die historische Bibliothek ist nach Anmeldung im Sekretariat für alle Besucher geöffnet.