Unmittelbar in der Nähe des Bayerischen Platzes in Berlin-Schöneberg befindet sich in der Heilbronner Straße die Kirche Zum Heilsbronnen, deren mächtiger Turm mit dem hohen Dachreiter bereits von Weitem sichtbar ist. Ihr Name bezieht sich nicht auf die Stadt, sondern auf Jesaja 12,3 „Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Heilsbronnen (Brunnen des Heils)“. Gemeint ist damit wohl eine Quelle, die es auf dem Baugelände gegeben haben soll. Der in die Straßenflucht integrierte Kirchenbau aus rotem Backstein gehört zu den letzten Resten der 1943 zu 75 Prozent zerstörten historischen Bebauung des Bayerischen Viertels, das in der Gründerzeit für eine gutbürgerliche Klientel errichtet wurde. Der Kirchenkomplex, der nach Plänen des Architekten Ernst Deneke zwischen 1911 und 1912 realisiert wurde, brannte 1943 weitgehend aus. Er wurde bis 1956 von den Architekten Hans Geber und Otto Risse in vereinfachter Form wiederhergestellt. Die eigentliche Kirche betritt man durch die Vorhalle des Turmuntergeschosses. Suggeriert die rote Backsteinfassade im neogotischen Stil ein im Innern ebenfalls historisches Ambiente, so überrascht die schlichte und

roßzügige Neugestaltung des Kirchenraums, den die Architekten Geber und Risse mit den Künstlern Hans Joachim Burgert, Waldemar Otto und Gerhard Schreiter in den 1950er Jahren umgesetzt haben. So wurden die Seitenemporen des Hallenbaus entfernt und über fünf Meter hohe Fenster eingebaut. Die Gestaltung, ganz aus einem Guss und Kind ihrer Zeit, ist inzwischen selbst historisch geworden und eines der eindrücklichsten Beispiele sakraler Kunst jener Aufbaujahre.
Wiederaufbau mit hochrangiger Unterstützung
Otto Dibelius, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg von 1945 bis 1961/66, der in der Anfangsphase von 1915 bis 1925 Pfarrer in Heilsbronnen war, weihte am 21. Dezember 1956 in Anwesenheit von Bundespräsident Theodor Heuss den neuen Kirchenraum. Heuss hatte zu Heilsbronnen, dem Wiederaufbau und Dibelius eine mehrfache Beziehung. Seine 1952 verstorbene Frau, Elly Heuss-Knapp, war zu Dibelius’ Zeiten in der Gemeinde aktiv. Heuss selbst war in den 1920er Jahren Bezirksverordneter von Berlin-Schöneberg und als ehemaliges Vorstandsmitglied des Deutschen Werkbundes, in dem sich 1907 Architekten, Künstler, Handwerker und Industrielle für ästhetisch hochwertiges Produktdesign zusammengeschlossen hatten, immer an Architektur und Kunst interessiert.
Auch am Eröffnungsgottesdienst der im Hansaviertel im Zuge der Internationalen Bauausstellung 57 wieder errichteten Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche nahm Theodor Heuss teil. Neben dem Kruzifix von Gerhard Schreiter, dem Antependium an der Kanzel von Waldemar Otto und anderer Ausstattungsstücke gehören zum größten Schatz des Kirchenraums die Glasfenster von Hans Joachim Burgert (1928–2009), der auch für weitere Werke und die 1977 neu gestaltete Decke der Vorhalle die Entwürfe lieferte.
Comicartige Fenster erzählen Geschichten aus der Bibel
Zwölf figürliche bunte spitzbogige Glasfenster, je sechs auf jeder Seite, tauchen das Langhaus in ein atmosphärisches Licht. Auch das rechteckige Fenster in der Seitenkapelle sorgt für ein feierliches Ambiente. Burgert, der bei Karl Schmitt-Rottluff und Ernst Schumacher an der Hochschule für bildende Künste in Berlin-Charlottenburg studierte, bediente sich für die Gestaltung der biblischen Szenen romanischer Wand- und Glasmalereien.

Nicht ungewöhnlich für die Zeit, auch Ludwig Peter Kowalski (1891–1967) griff im Zuge des Wiederaufbaus der Berliner Luisenkirche in den 1950er Jahren bei den Entwürfen der Glasfenster auf romanische Stilformen zurück. Die hohen dreibahnigen Fenster erzählen fast comic-gleich Geschichten aus dem Alten und Neuen Testament und von historischen Persönlichkeiten der protestantischen Kirche. Seit einigen Jahren macht der Klimawandel mit den in den Sommermonaten hohen Temperaturen auch den Glasfenstern in Heilsbronnen sehr zu schaffen. Die Kirchengemeinde engagiert sich aktuell vorbildlich für ein Sanierungskonzept, um die eindrückliche „Biblia pauperum“ (Armenbibel) weiterhin sprechen zu lassen.
Die Kirchengemeinde Zum Heilsbronnen ist in der Heilbronner Straße 20 in Berlin-Schöneberg, nicht weit vom U-Bhf Bayrischer Platz entfernt.
Claudia Rückert ist Kunstbeauftragte der EKBO
