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“Closer the Distance” zeigt, wie Menschen mit Trauer umgehen

“Closer the Distance” ist ein ungewöhnliches Videospielkonzept und führt die Spieler in ein Küstennest, das den Verlust eines Teenagers bewältigen muss. In der Kurzkritik: “Return to Monkey Island”.

Games sollen zuallererst Spaß bereiten, die Spieler herausfordern und von den Zumutungen des Alltags ablenken. Die Tatsache, dass sie auch ein extrem vielseitiges narratives Medium sind, tritt dabei allzu oft in den Hintergrund. Während man zum Beispiel bei Filmen oder Serien aufs Zuschauen beschränkt ist, erlauben es Computerspiele, aktiv ins Geschehen einzugreifen, den Fortgang der Handlung zu beeinflussen und eigene Entscheidungen zu treffen. Das führt zu einer Immersion, die die Anteilnahme am Geschehen selbst dann verstärkt, wenn der Einfluss, den man ausüben kann, am Ende eher begrenzt ist.

Dieses Stilmittels bedient sich auch “Closer the Distance” des Hamburger Studios Osmotic. Das verschlafene Küstenstädtchen Yesterby hat einen tragischen Verlust zu verkraften. Angela, ein ortsansässiger Teenager, stirbt eines Tages bei einem Autounfall, dessen genauere Umstände zunächst nicht näher erläutert werden. Ihre Schwester Conny nimmt allerdings weiterhin Angelas Stimme wahr, mit der sie das Treiben der Bewohner von Yesterby in der Zeit nach ihrem Ableben teils ironisch distanziert, teils empathisch kommentiert.

Das Besondere an “Closer the Distance” ist, dass man selbst Yesterby wie ein Diorama aus der Vogelperspektive beobachten und dabei in die Rollen unterschiedlicher Figuren schlüpfen kann. Steht dafür zu Beginn nur Connie zur Verfügung, kann man später nach Belieben die Perspektive wechseln. Das ermöglicht es, sich der Gefühls- und Gedankenwelt der handelnden Personen anzunähern und zu versuchen, auf ihre Bedürfnisse zu reagieren oder in anderer Form Gutes zu tun.

Naturgemäß gehen alle in Yesterby anders mit Angelas Tod um: ihr aufbrausender Freund Zek, der eine Skulptur für Angelas Grab errichten möchte, ihre Mutter, die dazu neigt, alles kontrollieren zu wollen – oder der umtriebige Geschäftsmann Jasper, der sich um den Fremdenverkehr sorgt. Eine wichtige Figur ist auch die Ärztin Galya, die mit ihrer Partnerin Leigh und deren Sohn Bodhi zusammenlebt. Passiert etwas Wichtiges, erscheint ein rotes Ausrufezeichen über dem Porträt des jeweiligen Charakters, und man kann direkt an den Ort des Geschehens springen. Ziel ist es, den Zusammenhalt der Einwohner Yesterbys zu stärken und zu verhindern, dass sie die Gemeinschaft verlassen.

“Closer the Distance” beschränkt sich auf ein sehr gemächliches Spieltempo, das von den atmosphärischen Gitarrenklängen im Hintergrund unterstrichen wird. Die Gestaltung im Comicstil vermittelt viel Atmosphäre, lässt aber zugleich Raum für eine detailliertere Ausgestaltung in den Köpfen der Spielenden. Mehr als an einen interaktiven Film kann man an eine Graphic Novel zum Mitgestalten denken, in deren Verlauf man immer wieder zur Reflexion über die Motive der handelnden Figuren angeregt wird.

Wer die spielerische Herausforderung sucht, wird von “Closer the Distance” dabei womöglich enttäuscht sein. Hier geht es eher darum, die narrativen Grenzen des Mediums auszuloten und auf inhaltlicher Ebene Verständnis für die handelnden Personen zu wecken. Wer selbst einen tragischen Verlust zu verarbeiten hat, dürfte darin Halt und Trost finden. Vielleicht könnte man auch versuchen, sein eigenes Umfeld spielerisch als eine Art Diorama zu betrachten. Das hätte gegenüber der Immersion genau den umgekehrten Effekt, nämlich zumindest kurzfristig eine künstliche Distanz zur Realität zu schaffen und durch den so gewonnenen Abstand Reflexion zu ermöglichen.

Skybound Games/Osmotic Studios

USK-Freigabe ab 12 Jahren; Drastische Darstellung gibt es in “Closer the Distance” nicht, doch sollte man bedenken, dass es sich vor allem angesichts des sensiblen Themas eher um einen Erwachsenentitel handelt.

nein

Deutsch, Englisch (Ton, Bedienung, Untertitel), Französisch, Spanisch, vereinfachtes Chinesisch (Bedienung, Untertitel)

für PC, PlayStation 5 und Xbox Series X|S

ca. 20 Euro (über )

Die Reihe “Life is Strange” (Dontnod Entertainment/Square Enix) beschäftigt sich auf sehr innovative und einfühlsame Weise mit unterschiedlichen Ängsten und Nöten von Teenagern. Bei allen fünf Spielen der Reihe handelt es sich um Adventures, die spielerisch und inhaltlich deutliche Unterschiede aufweisen. Der Fokus liegt auf der Erzählung, die Spieler müssen Rätsel lösen, um die Handlung voranzutreiben.

Die Reihe “Monkey Island” der US-Entwicklerlegende Ron Gilbert hat zweifellos Videospielgeschichte geschrieben. Die Historie des wegweisenden Spiels wurde kürzlich in dem sehr informativen und kurzweiligen Buch “Die Geheimnisse von Monkey Island” von Nicolas Deneschau (deutsche Version: Look Behind You Verlag) dargelegt. “Return to Monkey Island” ist der sechste Teil der Reihe und knüpft inhaltlich an den zweiten Teil “LeChuck’s Revenge” aus dem Jahr 1991 an. Die mobile Version erschien bereits im vergangenen Jahr, ist aber erst jetzt im “Apple Arcade”-Abo verfügbar. Und es lohnt sich wirklich, erneut in Gestalt des schwer auszusprechenden Helden Guybrush Threepwood in See zu stechen. Die Grafik setzt sich klar vom Ur-Monkey-Island ab, ist aber in all ihrer verschrobenen Detailverliebtheit schön anzusehen und unterstreicht den schrägen Humor des Spiels fast perfekt.

Erneut macht sich Guybrush auf die Suche nach dem sagenumwobenen, immer noch nicht geborgenen Schatz und bekommt es wieder mit seinem Erzfeind, dem Zombiepiraten LeChuck zu tun. Spielerisch bleibt es beim 2D-Point-and-Click-Prinzip: Man klickt auf einzelne Bestandteile der nur teilweise animierten Grafik und versucht die dahintersteckenden Rätsel zu lösen, damit es in der Handlung weitergeht.

Netterweise gibt es zwei Modi, so dass man entscheiden kann, ob man lieber primär der Geschichte folgt oder knackigere Rätsel und Suchspiele bevorzugt. Als Sprachausgabe können Englisch oder Deutsch ausgewählt werden, wobei die deutsche Synchronisation untadelig ist und den Witz der Originaldialoge gut einfängt. Wesentlich mehr Auswahl gibt es bei der Textsprache. Insgesamt ein großer, sehr entspannter Abenteuer-Spaß für jüngere und ältere Spieler.

“Return to Monkey Island”, Devolver Digital, für iOS und viele andere Plattformen, ab 12 Jahren, gratis über Apple Arcade.