Christus hat die Welt überwunden

Wie man gegen seine Ängste ankämpft, darüber macht sich Pastor Tilman Baier Gedanken. Er ist Chefredakteur der Kirchenzeitung in Schwerin.

Der Predigttext des folgenden Sonntags lautet: „Alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt; und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“ aus dem 1. Johannesbrief 5, 1-4
Die Inschrift auf dem alten Grabstein neben der Friedhofskapelle hatte meine kindliche Neugier erregt: „Überwunden – heimgefunden“ stand darauf. War da jemand an einer übergroßen Wunde gestorben? Die Erklärung der Erwachsenen, dass dieses Wort von „überwinden“ abstammt, half mir weiter. „Nun überwinde dich endlich“ – den Satz kannte ich von meinen Freunden, wenn wir über die Hinterhöfe tobten und ich zögerte, über einen Zaun zu springen. Klar, um nach Hause zu kommen, musste ich erst mich und dann den Zaun überwinden. Was für Zäune musste derjenige, der dort sein Grab hatte, überwunden haben, um heimzufinden? Und wo war sein Heim? Im Grab? Oder doch ganz woanders?
Fragen über Fragen – auch beim Lesen des Satzes aus dem Predigttext für diesen Sonntag Jubilate: Da wird nicht nur ein Zaun übersprungen – nein, überwunden wird gleich die ganze Welt. Dazu braucht es Superkräfte, die nur jemand haben kann, der göttlicher Abstammung ist, so wie Herkules. Aber wozu überwindet so einer „die Welt“? Hat sie sich ihm in den Weg gestellt? Und wohin ist er unterwegs? Aus der Welt heraus? Also in den Himmel?
Drei Sätze vorher heißt es: Dieser von Gott Geborene ist der Gekreuzigte. Christus hat die Welt überwunden mit der größten aller Kräfte, der Liebe. Doch nun ist er fort – und was hilft das uns?
So hatte auch verzweifelt die Gemeinde gedacht, an die dieser 1. Johannesbrief gerichtet ist. Sie wurde unbarmherzig verfolgt. Was tun gegen die Angst? Christus war schon lange fort. Doch der Briefautor schreibt: Auch euer Glaube an diesen Christus ist von Gott geboren. Euer Glaube gibt euch die einzige Superkraft, mit der ihr die Welt, die euch bedroht, überwinden könnt, auch schon hier und jetzt – die Liebe.
Nun ist die Liebe als Waffe zweischneidig: Sie überwindet den Gegner, in dem sie demjenigen Wunden schlägt, der liebt. Karfreitag hat uns gerade wieder daran erinnert. Aber der alte Grabstein an der Friedhofskapelle in meiner Heimatstadt erzählt auch davon: Diese Liebe wird dich nach Hause ziehen.
Unser Autor
Pastor Tilman Baie
r ist Chefredakteur der Kirchenzeitung in Schwerin.
Zum Predigttext des folgenden Sonntags schreiben an dieser Stelle wechselnde Autoren. Einen neuen Text veröffentlichen wir jeden Mittwoch.