Brot des Lebens

Wenn es nicht das Brot ist, das uns mangelt, worauf haben wir in unserem Überfluss dann Hunger, fragt Pastorin Dr. Claudia Tietz der St. Johannis-Harvestehude.

Der Predigttext des folgenden Sonntags lautet: "Dies ist das Brot Gottes, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben." aus Johannes 6, 30-35
Die Bilder des Hungers in Afrika können einen verfolgen. In welch krassem Kontrast stehen sie zu unserer Wirklichkeit. An keinem Morgen meines Lebens wäre ich je aufgestanden ohne die Aussicht auf ein Frühstück. Keine deutsche Innenstadt, die nicht von Bäckereien und Imbissbuden gesäumt wäre. Wir sind an Überfluss gewöhnt, wir kultivieren ihn und leiden unter ihm.

In welchem Kontrast steht die Hungersnot in Afrika aber auch zum Hunger unter uns. Übergewichtige Kinder aus den sozialen Brennpunkten, magersüchtige Jugendliche in den bevorzugten Wohngegenden. Junge und Alte, die einfach nicht satt werden, oder aber die Nahrung verweigern. Ein wie auch immer geartetes "normales" Verhältnis zum Essen scheinen wir verloren zu haben.

Aber wenn es nicht das Brot ist, das uns mangelt, worauf haben wir dann Hunger – Wonach verlangt uns in unserem Überfluss, der Hunger und Durst nicht stillt?

Im Johannesevangelium sagt Jesus: "Dies ist das Brot Gottes, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben" (Johannes 6, 33).

Wo wir nach Sättigung fragen, nach Zufriedenheit oder Erfüllung, da gibt Jesus Christus sich selbst zur Antwort. Als Brot. Nicht als eine abstrakte Idee, sondern konkret und leibhaftig: "Ich bin das Brot des Lebens." Er gibt sich selbst, teilt sich aus, will bei und in uns sein. Aber wie tut er das?

Im Gottesdienst erleben wir dies zeichenhaft in der Feier des Abendmahls. Jesu Tischgemeinschaft ist damals wie heute fast der einzige Ort, an dem mehr oder weniger fremde Menschen über alle Unterschiede hinweg miteinander essen. An dem wir uns zeigen in unserem Hunger nach einer Speise, die allen Menschen versprochen und lebensnotwendig ist. Das Abendmahl als Gottes Speisesaal, in dem wir zusammen schmecken und sehen lernen, was Jesus Christus für uns sein will: ein Teil von uns, eine Lebenskraft, deren Nährwert sich im Teilen erschließt.
Unsere Autorin
Dr. Claudia Tietz ist Pastorin an St. Johannis-Harvestehude in Hamburg
Zum Predigttext des folgenden Sonntags schreiben an dieser Stelle wechselnde Autoren. Einen neuen Text veröffentlichen wir jeden Mittwoch.