Blumenfreude ohne schlechtes Gewissen

Die meisten Schnittblumen kommen über weite Strecken nach Deutschland. Bei ihrer Produktion werden Pestizide eingesetzt, die Arbeitsbedingungen sind oft prekär. Die noch junge Slowflower-Bewegung bietet ökologische Alternativen.

Katharina Funk schneidet Duftwicken in ihrem Garten in Bremen
Katharina Funk schneidet Duftwicken in ihrem Garten in Bremenepd-bild/Dieter Sell

Bremen. Blumen, wohin das Auge blickt. Knallig blau leuchtet der Rittersporn, in Pastelltönen strecken die Duftwicken ihre Ranken zur Sonne. Rosen, Löwenmäulchen, Cosmeen, Margeriten, Lupinen und Phlox – im Garten von Katharina Funk wachsen bestimmt 200 Blumensorten. Vom Frühjahr bis in den November blüht es in den Beeten ihrer Parzelle. Die Bremerin hat die deutsche „Slowflower“-Bewegung mitbegründet, die sich dem saisonalen, regionalen und nachhaltigen Anbau von Schnittblumen verschrieben hat.

Slowflower-Bewegung hat Deutschland erreicht

Vorbild der Initiative, die bundesweit mittlerweile mehr als 100 Mitglieder hat, sind Gärtnerinnen und Gärtner aus den USA, die sich 2014 zusammengeschlossen haben. Sie alle verbindet, dass sie bei ihrer Arbeit keine Pestizide einsetzen, nur mit organischem Material düngen, möglichst Saatgut biologischen Ursprungs verwenden und so gut es geht in Kreisläufen wirtschaften.

Das ist noch immer die Ausnahme, die Norm sieht ganz anders aus: Die meisten Schnittblumen in den Läden stammen aus Ländern wie Kenia, Sambia, Äthiopien, Ecuador und den Niederlanden. Sie wachsen in Monokulturen, in denen Pestizide eingesetzt werden, die Menschen und Böden belasten. „Die Arbeitsbedingungen sind fragwürdig, Schutzkleidung gibt es meistens nicht, dafür Niedriglöhne und Ausbeutung“, beschreibt Katharina Funk die Bedingungen in vielen Ländern.

Vom Feld in die Vase

„Slowflowern“ heißt dagegen: Ökologisches Wirtschaften im Kreislauf der Natur, durch Vielfalt und im Rhythmus der Jahreszeiten auf kleinen Flächen möglichst viele Schnittblumen produzieren, die dann regional vermarktet werden – vom Feld auf kurzem Weg in die Vase.

Bei Katharina Funk, hauptberuflich Grundschullehrerin, begann alles mit einer Facebook-Gruppe. Zuerst hat sie dann Blumen aus ihrem Garten auf dem Wochenmarkt verkauft. Bis heute verbringt sie jede freie Minute zwischen ihren Beeten, die Bienen und Schmetterlinge in Hülle und Fülle anlocken.

Katharina Funk schneidet Rittersporn in ihrem Garten in Bremen (Foto vom 09.07.2021). Im Garten von Katharina Funk wachsen bestimmt 200 Blumensorten. Vom Fruehjahr bis in den November blueht es in den Beeten ihrer Parzelle. Die Bremerin hat die deutsche „Slowflower“-Bewegung mitbegruendet, die sich dem saisonalen, regionalen und nachhaltigen Anbau von Schnittblumen verschrieben hat. (Siehe epd-Feature vom 09.08.2021)
Katharina Funk schneidet Rittersporn in ihrem Garten in Bremen (Foto vom 09.07.2021). Im Garten von Katharina Funk wachsen bestimmt 200 Blumensorten. Vom Fruehjahr bis in den November blueht es in den Beeten ihrer Parzelle. Die Bremerin hat die deutsche „Slowflower“-Bewegung mitbegruendet, die sich dem saisonalen, regionalen und nachhaltigen Anbau von Schnittblumen verschrieben hat. (Siehe epd-Feature vom 09.08.2021)epd-bild/Dieter Sell

 

Mittlerweile allerdings verkauft sie ihre Blumen nicht mehr weiter, sie ist von der Blumenbäuerin zur Blumengärtnerin geworden, die ihre Sträuße nur noch für sich und enge Freunde zusammenstellt. Dafür hat sie einen Blog gestartet, der in die Vielfalt des Themas einführt und zeigt, wie man sich fast das ganze Jahr mit Blumen aus dem eigenen Garten versorgen kann.

Wer sich darin vertieft, bekommt beispielsweise Tipps zu „One Hit Wonder“, „Medium Producer“ oder „Cut and Come Again“, zu Anzucht, dem richtigen Schnitt und Gärtnern ohne Rückenschmerzen. Und – besonders in diesem feuchten Sommer ein wirklich leidiges Thema – zur Schnecken-Abwehr: „Wenn ich nach wochenlanger Pflege meine kleinen Zinnien ins Beet setze und am nächsten Tag sind nur noch traurige Stiele übrig, da kommen mir die Tränen“, sagt die Slowflower-Expertin. Als Gegenmittel empfiehlt sie Schneckenkragen, Opfer-Pflanzen wie Beinwell und, ja, auch Schneckenkorn – „an besonderen Stellen und gering dosiert“.

Natur pur im Garten der Bremer Blumenbäuerin

Mit Schnecken hat derzeit auch Claudia Werner zu kämpfen, die früher für einen Stand auf Wochenmärkten Blumen, Kräuter und Gemüse ökologisch kultiviert hat. Als Erzieherin blieb für sie auch in der Arbeit mit Kindern die Verbindung zur Natur wichtig.

Nun hat sie sich als Blumenbäuerin selbstständig gemacht. In ihrem „kleinen wilden Garten“ – ebenfalls in Bremen – erntet sie auf gut 1.000 Quadratmetern Blumen für Natursträuße, Gestecke und saisonale Kränze, die sie in der Stadt über Unverpacktläden wie die „Füllerei“ oder den Hofladen der Solidarischen Landwirtschaft verkauft.

Claudia Werner bindet einen Blumenstrauss in ihrem Garten in Bremen (Foto vom 27.07.2021). Claudia Werner hat sich als Blumenbaeuerin selbststaendig gemacht. In ihrem „kleinen wilden Garten“ erntet sie auf gut 1.000 Quadratmetern fuer Naturstraeusse, Gestecke und saisonale Kraenze, die sie in der Stadt ueber Unverpacktlaeden wie die „Fuellerei“ oder den Hofladen der Solidarischen Landwirtschaft verkauft. (Siehe epd-Feature vom 09.08.2021)
Claudia Werner bindet einen Blumenstrauss in ihrem Garten in Bremen (Foto vom 27.07.2021). Claudia Werner hat sich als Blumenbaeuerin selbststaendig gemacht. In ihrem „kleinen wilden Garten“ erntet sie auf gut 1.000 Quadratmetern fuer Naturstraeusse, Gestecke und saisonale Kraenze, die sie in der Stadt ueber Unverpacktlaeden wie die „Fuellerei“ oder den Hofladen der Solidarischen Landwirtschaft verkauft. (Siehe epd-Feature vom 09.08.2021)epd-bild/Dieter Sell

 

„Jeder Strauß lebt: Etwas verblüht, etwas anderes blüht auf, Getrocknetes bleibt – wie in der Natur“, sagt sie. Werner hofft, dass zunehmend mehr Menschen bereit sind, für nachhaltig produzierte Ware mehr Geld auszugeben und denkt bereits über einen Marktstand nach. Auch wenn nicht immer alles romantisch sei im Garten, „zum Beispiel das frühe Aufstehen zur Ernte, die Rapsglanzkäfer und die Schnecken“.

Aber wenn sie ihre üppigen Sträuße bindet, dann blüht sie auf. Oft sind es Löwenmäulchen, Zinnien, Sonnenblumen und Rittersporn, die den Ton angeben. Dazwischen vielleicht Duftwicken, auch Dill und Fenchel, die mit ihrer filigranen Struktur die Präsenz der mächtigen Sonnenblumen-Blüte aufbrechen. „Ich schaue beim Zusammenstecken immer, wer mit wem Freund sein will“, sagt sie und lächelt. Richtig schön seien die Sträuße, „wenn ich sie eigentlich nicht mehr hergeben will“.