Bischof Meister warnt vor „Inflation der Verurteilungen“

Der Theologe verurteilte eine oft aufgeregte Betroffenheit, die dazu führe, sich schnell zu empören. Kritisch auf sich selbst zu schauen, sei kaum noch angesagt.

Landesbischof Ralf Meister
Landesbischof Ralf MeisterJens Schulze / epd

Hannover. Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister hat am Buß- und Bettag dazu aufgerufen, selbstkritischer zu sein und nicht vorschnell über andere zu urteilen. „Was uns innerlich vergiftet und die Gemeinschaft zerstört, ist die Selbstgerechtigkeit und die Inflation der Verurteilungen und Beurteilungen anderer“, sagte der evangelische Bischof bei einem zentralen Gottesdienst für Mitarbeiter von Polizei und Zoll. „Hate Speech“ werde zu einem gängigen Begriff.

„Beim Zoll und bei der Polizei gehören Sie mit zu den Berufsgruppen, die sich den übelsten Beschimpfungen und Bedrohungen nicht nur in den sozialen Medien, sondern auch im realen Leben aussetzen müssen“, sagte Meister laut Manuskript. „Die Vorstellung, dass jeder und jede für den Zustand der Gesellschaft einen eigenen Anteil der Verantwortung trägt, gerät dabei völlig aus dem Blick.“ Meister verurteilte eine oft aufgeregte Betroffenheit, die dazu führe, sich schnell zu empören. Kritisch auf sich selbst zu schauen, sei kaum noch angesagt.

„Gott urteilt anders“

Der Buß- und Bettag dränge dazu, über die eigene Verantwortung nachzudenken und darüber, wo Menschen scheiterten und schuldig würden. „All das Nebeneinander von Hoffnungen und Enttäuschungen, von Freude und Dankbarkeit, die wir erleben dürfen, auch von Trauer und Verletzungen an Leib und Seele, darüber wird geurteilt werden.“ Doch Gott urteile anders als die Menschen. Er blicke auf das, was die Menschen ausmache, auch mit ihrer Schuld. Er vertraue den Menschen, so dass sie Verantwortung in ihrem Leben übernehmen könnten.

Im zentralen Buß- und Bettag in der Marktkirche Hannover warnte Meister am Abend davor, die Kirche allein auf ihre gesellschaftliche Funktion zu reduzieren. Erst kürzlich hätten zwei Ministerpräsidenten in den neuen Bundesländern gesagt, dass die Kirche eine wichtige Rolle für das Zusammenleben der Menschen spiele. Sie finde klare Worte gegen den Rechtspopulismus und trete solidarisch für Flüchtlinge ein. Doch vom Glauben an Gott sei nicht die Rede gewesen. „Der Buß- und Bettag ist ein Tag, der uns ehrlich nicht nur nach unseren Süden fragt, sondern nach der Bedeutung, die wir Gott noch geben.“

Der Buß- und Bettag ist ein evangelischer Feiertag. Er ist ein Tag der Umkehr, der Neuorientierung und dient auch dem Nachdenken über gesellschaftliche Irrtümer wie Ausländerfeindlichkeit, Umweltzerstörung und soziale Ausgrenzung. (epd)