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Bischof Gerber: Bibel zeigt konstruktiven Umgang mit Scheitern

Hoffnung, Scheitern, Vergebung: Der Fuldaer Bischof sieht in biblischen Texten eine Antwort auf die Gegenwartskrise. Die christliche Botschaft könne Druck nehmen – auch von der künftigen Regierung.

In der gegenwärtigen Krisenzeit bietet die Bibel laut dem Fuldaer Bischof Michael Gerber eine Hoffnungsperspektive, die das Scheitern konstruktiv einbindet. “Das ist für unsere Zeit ungeheuer wichtig. Die künftige Bundesregierung etwa wird angesichts der anstehenden Herausforderungen immer auch scheitern. Und es geht doch zentral darum, wie man mit dem Scheitern umgehen kann – und wie daraus neue Hoffnung wachsen kann”, sagte Gerber am Montagabend in Erfurt bei den sogenannten Kreuzgang-Gesprächen.

“Gerade für unsere Zeit der großen Krisen und Disruption ist das Evangelium da.” Es gebe viele biblische Gestalten, die großen Verlust erfahren hätten und sich zugleich von Gott persönlich angesprochen fühlten und dadurch zu Hoffnungsträgern würden, ohne die erfahrenen Verletzungen auszuklammern. “Wir lernen auch, kritisch auf die eigene Geschichte und ihre Brüche zu blicken und ihnen einen eigenen Platz einzuräumen”, so der Bischof.

Die Bibel schildere zudem immer wieder die Erfahrung von Vergebung und Verzeihen, erklärte Gerber. Diese Erfahrung machten heute immer weniger Menschen: “In der Politik etwa stehen Politiker unter einem immer größeren Druck, bloß keine Fehler zu machen.” Dem gegenüber stehe, dass niemand, der in Politik oder Kirche Verantwortung übernehme, immer alle Folgen seines Handelns absehen könne.

“Wir leben in einer Zeit des Verlusts der großen religiösen und weltanschaulichen Narrative, der großen Welterzählungen, die keine Prägekraft mehr in der Gesellschaft entfalten”, sagte Gerber. Auch das Narrativ des immer weitergehenden Fortschritts sei deutlich in die Krise geraten; ähnlich verhalte es sich mit dem Narrativ einer gesellschaftlichen Entwicklung zu mehr Freiheit und mehr Demokratie.

Hinzu komme ein Verlust “kontemplativer Unterbrechungen”. Echte Auszeiten, um mit sich selbst oder einem einzelnen anderen Menschen in Berührung zu kommen, kosteten heute ein viel höheres Maß an Energie und Selbstdisziplin. Durch all diese Entwicklungen habe sich das Lebensgefühl vieler Menschen verändert. Vor diesem Hintergrund könne die christliche Botschaft der Hoffnung eine neue Perspektive eröffnen, die ein neues Angenommensein befördere und Erwartungsdruck reduziere.