Berührung wieder lernen

In der Marinetechnikschule Parow wird die Rückkehr zur Normalität geübt. Militärpfarrer Carsten Süberkrüb berichtet.

Stralsund-Parow. Irgendwie hatte man sich ja schon darauf eingestellt, dass Corona nicht mehr endet und es zum Alltag wird, überall mit einer Maske herumzulaufen. Auch an der Marinetechnikschule Parow gehören diese Hygienekonzepte zur Tages­ordnung. So gibt es einen leergeräumten Wohnblock, der darauf wartet, dass er sich mit Corona-Infizierten füllt. Unterricht wird mit Maske durchgeführt, alles wie an jeder anderen Schule auch. Die Soldaten, die in den Einsatz gehen, müssen 14 Tage in Quarantäne in ein besonderes Hotel und dürfen dort, abgesehen von einer Stunde Freigang am Tag, das Zimmer nicht verlassen.

Soldaten sind noch abgeordnet, um in den Altenheimen zu helfen und die Impfzentren zu unterstützen. Doch immer mehr kommen zur Schule zurück, weil die Maßnahmen auslaufen. Man hat sich geradezu an das Virus gewöhnt, denn all das ist ja nun schon seit Monaten am Laufen.

Schritt in die Normalität

Und doch: Auf einmal geschieht etwas Neues. Mecklenburg-Vorpommern und auch der Landkreis Vorpommern-Rügen haben rapide sinkende Inzidenzzahlen. Langsam gehen auch die Zahlen in den Krankenhäusern zurück. Statistisch wird es schwierig in unserer Umgebung noch einen Corona-Infizierten zu treffen. Das wirkt sich natürlich auch auf die Schule aus. Wie gelingt uns der Schritt zurück in die Normalität, die vorher herrschte.

An unserer Schule taucht die banale Frage auf: Darf man sich wieder mit Handschlag begrüßen? Gehört dazu Mut? Inzwischen sind viele von uns geimpft, auch schon zum zweiten Mal. Und doch weiß man auf einmal nicht mehr so genau, ob Berührung noch in Ordnung ist. Und wie ist es mit dem gemeinsamen Sport? Joggen: kein Problem, aber Kontaktsport wie Fußball, Handball: einfach so? Erst jetzt fällt auf, dass uns Berührung im letzten Jahr geradezu aberzogen wurde.

Fester Händedruck

Das letzte Mal, als ich dieses eigenartige Gefühl gespürt habe, war in Südafrika in der Zeit der Apartheid, wo Weiße Angst vor Umgang und Berührungen mit Schwarzen hatten, geradezu besessen von der Idee, man könne sich infizieren, wenn man dem anderen zu nahe kommt. Spätestens beim nächsten Handschlag können wir spüren, wie wichtig diese stumme und doch so aussagekräftige Geste ist. Und wie sehr diese kleine Geste zum Ausdruck wird, was in Zeiten von Corona verlorengegangen ist.

Oft genügt ein fester Händedruck um dem anderen deutlich zu machen, was man sagen möchte. Denken wir nur an Beerdigungen oder wenn wir unsere Anteilnahme in anderen Momenten ausdrücken. Auch an unserer Schule werden wir diese Normalität jetzt wieder einüben. So wie es aussieht, werden wohl zuerst die Masken fallen und dann werden wir uns wieder die Hände geben. Ein gutes Zeichen der Menschlichkeit miteinander.

Unser Autor
Carsten Süberkrüb ist Pfarrer im Militärpfarramt Kramerhof.