Beim Trump-Witz johlt die Menge

An aktuellen Themen dran zu sein, ist der Anspruch des Kirchentags. Deshalb geht es am Donnerstag in Dortmund um Klimaschutz, Digitalisierung, Seenotrettung – und Witze über den US-Präsidenten.

Margot Käßmann beim Kirchentag 2019 in Dortmund
Margot Käßmann beim Kirchentag 2019 in DortmundStefan Arend / epd

Dortmund. Um kurz nach neun ist die Dortmunder Westfalenhalle schon gut gefüllt. Mehr als 10.000 Menschen finden hier Platz. Die Fans von Margot Käßmann haben sich an diesem Donnerstagmorgen die besten Stühle schon gesichert, obwohl die Bibelarbeit erst in einer halben Stunde beginnt. Die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist nach wie vor ein Publikumsmagnet. Für den ersten Tag der inhaltlichen Diskussionen beim Kirchentag verspricht sie regelmäßig einen pointierten Auftakt – und enttäuscht nicht.

Diesmal erntet sie für heftige Kritik an US-Präsident Donald Trump Applaus. Der komme doch „absolut lächerlich“ daher gegenüber dem jungen Mann, der sich vor 30 Jahren bei den Protesten auf dem Platz des himmlischen Friedens in Peking den anrollenden Panzern entgegengestellt habe. Das Bild dieses Mannes, das damals um die Welt ging, werde als Mut, als Freiheitssehnsucht, als Würde des Menschen in die Geschichte eingehen, sagte Käßmann und ergänzte: „Ich denke, das von Donald Trump wird nie mit Würde erinnert werden.“ Dann kommt noch ein Witz, in dem ein größenwahnsinniger Trump sich für Gott hält. Die Menge tobt – wie bei jedem Kirchentag mit Käßmann.

Bundespräsident spricht über Digitalisierung

Dass alles wie immer wäre beim größten Glaubenstreffen der Protestanten in Deutschland, stimmt aber nicht. Seit dem vergangenen Kirchentag im Jahr 2017 sind große gesellschaftliche Themen auf die Agenda gerückt, an denen auch der Kirchentag nicht vorbeikommt.

So bekommt nach den Protesten der „Fridays for Future“-Bewegung das Klima einen deutlich größeren Raum in Dortmund, unter anderem mit der Aktivistin Luisa Neubauer auf dem Podium. Die junge Klimaschutz-Bewegung ist Rückenwind für all jene, die in der Kirche das Problem schon lange erkannt hatten. „Der Klimawandel ist der Armutstreiber Nummer eins“, sagt „Brot für die Welt“-Präsidentin Cornelia Füllkrug-Weitzel auf einem Podium. Sie fordert eine „mutige Regierung“, die das international vereinbarte Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, in einem nationalen Klimaschutzgesetz festhält.

Das Thema Digitalisierung – auch ein Schwerpunkt in Dortmund  – ist noch ziemlich neu für den Kirchentag. Niemand Geringeres als der Bundespräsident macht dazu  den Auftakt. Für eine Grundsatzrede über Regeln und Standards hat Frank-Walter Steinmeier sich den Kirchentag ausgesucht – wissend, dass hier kritische und engagierte Menschen zusammenkommen, die als Multiplikatoren in ihren Heimatgemeinden wirken können.

Fehrs zu sexuellem Missbrauch

Steinmeier fordert in seiner Rede Spielregeln für den digitalen Raum und mündige User, die sich aus der „digitalen Naivität“ befreien. „Die digitale Welt von heute dient jedenfalls jetzt noch den Interessen derer, die unsere Geräte voreinstellen, unsere Anwendungen programmieren und unser Verhalten lenken wollen“, warnt er. Wie Käßmann redete er vor einer vollen Westfalenhalle, erntet ebenso viel Applaus.

Zwischen dem Kirchentag 2017 und dem jetzigen liegt außerdem die denkwürdige EKD-Synode im vergangenen Jahr, bei der die Protestanten eine selbstkritische Bilanz ihrer Bemühungen im Kampf gegen sexuellen Missbrauch gezogen haben. Beim Kirchentag werden die dort erhobenen Forderungen nach besserer Aufklärung untermauert. Die Kirche habe beim Schutz von Betroffenen „eklatant versagt“, sagt die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs. „Unsere Kirchen sind verpflichtet, nicht die Täter zu schützen, sondern die Opfer“, appelliert Käßmann, die selbst inzwischen im Ruhestand ist.

Neben allem Neuem im Programm gibt es aber auch Themen, die sich wie ein roter Faden durch die Laienbewegung ziehen. Dazu gehört die Flüchtlingspolitik, in diesem Jahr mit dem Fokus Seenotrettung. Kurzfristig nahmen die Veranstalter für Donnerstag einen Termin mit dem Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando, ins Programm. Orlando, Kritiker seiner Regierung, die Geretteten oftmals das Ankommen in Italien verweigert, wirbt leidenschaftlich für die Aufnahme der Flüchtlinge. Das Ertrinken von Menschen sei „eine Schande für Europa“. „Europa darf nicht töten, auch nicht durch unterlassene Hilfeleistung“, sagt Kirchentagspräsident Hans Leyendecker. (epd)