Beeindruckende Kreuze

Über leidende und königliche Züge schreibt Helga Ruch. Sie ist Pröpstin im Pommerschen Kirchenkreis.

epd

Der Predigttext des kommenden Sonntags lautet: „Sehet, welch ein Mensch! “aus Johannes 19,5

In der kleinen Dorfkirche von Weitenhagen bei Greifswald im Pommerschen Kirchenkreis wird der Raum entscheidend geprägt von dem riesigen Kruzifix: Überlebensgroß hängt dort ein sehr menschlicher, vom Leid zerrissener Jesus.
Er zieht die Blicke ganz unweigerlich auf sich. Er zwingt den aufmerksamen Betrachter geradezu, sich auseinanderzusetzen, zu fragen, sich ins Gedächtnis zu rufen, was da geschah. Damals, auf Golgatha. Heute, an unzähligen Orten dieser Erde.
Dieser Mensch Jesus Christus dort am Kreuz ist wahrlich einer, dem ich glaube, dass er sich an die Seite der Leidenden begibt, mit den Traurigen weint, den Schmerz und die Demütigung der Verwundeten spürt. Einer, der weiß, was Einsamkeit ist. Der ausgeschlossen von allem und allen dort hängt. Ausgespannt zwischen Himmel und Erde, im Stich gelassen von den Menschen. Und – man mag es nicht aussprechen – sogar von Gott!
„Seht, welch ein Mensch!“
In einer anderen kleinen Dorfkirche irgendwo auf dem weiten Land gibt es ein ebenso beeindruckendes Kreuz. Dieses ist von ganz anderer Art: Der Christus, der sich hier dem Betrachter zeigt, hat nicht die leidenden, sondern königliche Züge. Das Kreuz ist zum Thron geworden, zum Ort des Sieges über die Widrigkeiten des Lebens und der Welt. Da ist einer, der seinen Weg konsequent zu Ende gegangen und darin zutiefst bestätigt worden ist. Ostern leuchtet von fern…
„Seht, welch ein Mensch!“
Ich glaube, ich brauche beide.
Den Jesus, der ganz Mensch ist und an meiner Seite bleibt, nicht nur da, wo es schwer ist, weiterzugehen – aber da ganz besonders.
Und den Christus, der meinen Horizont weit macht, der mich und diese Welt mit all ihrem unterschiedlichen Geschehen hineinnimmt in einen Weg, der auf Ostern hinführt. Der sicher nicht auf jedes meiner Warums eine Antwort gibt, der mich dennoch vertrauen lässt, dass er es gut machen wird. „Seht, welch ein Mensch!“
Unsere Autorin
Helga Ruch
ist Pröpstin im Pommerschen Kirchenkreis in Stralsund.
Zum Predigttext des folgenden Sonntags schreiben an dieser Stelle wechselnde Autoren. Einen neuen Text veröffentlichen wir jeden Mittwoch.