Aus dem Nähkästchen geplaudert

Was für eine Faszination von einem Liebespärchen ausgehen kann, das nur aus zwei Garnrollen besteht. Puppenspielerin Jana Sonnenberg erweckt Objekte zum Leben.

Jana Sonnenberg beim Stück „Die Bernsteinfee“
Jana Sonnenberg beim Stück „Die Bernsteinfee“Maren Winter

Zempin/Kröslin. Ganz aus dem Nähkästchen plaudert Jana Sonnenberg in ihrem Kurzprogramm von der „Bernsteinfee“ – und was für ein unterhaltsames Geplauder das ist! Ein paar Garnrollen bilden die handelnden Figuren, die roten Zwirnrollen werden zu Feuerwehrleuten, und ein weißes Spitzentuch wird zum Winter, der sich als Schneedecke über die Landschaft legt.

Es ist eine anrührende und sagenhaft schöne Liebesgeschichte, die die Schauspielerin da in 20 Minuten Bühnenzeit erzählt. Alltagsgegenstände werden dabei zu fantasievollen Requisiten, erfahren wunderbare Verwandlungen und ein wahrhaftes Schauspiel entsteht, das die Zuschauer ganz in seine Handlung hineinzieht. Aus dem aufgeklappten Nähkästchen wird eine Kogge, mit einem Tuch, das zum Segel umfunktioniert wird. Auf dieser Kogge sticht Maries Bräutigam in See sticht – und nicht mehr gesehen wird. Und aus einer Bernsteinkette wird eine Fee, die der Verlassenen in den Dünen das Glück prophezeit. Und das kommt – in Form einer dickeren Garnrolle Namens Kurt.

Träume und nordischer Humor

Jana Sonnenberg ist freie Schauspielerin und Puppenspielerin aus Zempin auf Usedom. Mit ihrer „Bernsteinfee“ war sie in Kröslin beim Ehrenamtsempfang zu Gast – und das erwachsene Publikum folgte ihrem Auftritt mit einer solch konzentrierten Aufmerksamkeit, wie sie sonst nur bei Kindern zu erleben ist, die einem spannenden Märchenspiel folgen. Denn in ihrem Nähkästchen ist alles drin: Weite, Sehnsucht, Träume, nordischer Humor und Abenteuer.

Eigentlich Schauspielerin

Pastor Jörn-Peter Spießwinkel hatte sie als Überraschungsgast zur Feier geladen. In ihrem Repertoire gibt es Stücke für Erwachsene wie für Kinder: vom Runge-Märchen „Vom Fischer und seiner Frau“ bis hin zum „Zimtsterntaler“ und dem „Eierdieb“.

Ihre Darstellungsmittel sind Figuren und Objekte: von der Handpuppe mit Klappmaul eben bis zur einfachen Garnrolle. „Eigentlich komme ich ja vom Schauspiel, aber mich fasziniert diese Theaterform unheimlich“, sagt die 1978 in Stralsund geborene Künstlerin. Im Schauspiel ausgebildet hat sie sich an der Theaterakademie Vorpommern in Zinnowitz – wo sie später selbst jahrelang als Dozentin für das Fach Objekttheater arbeitete. Über Handpuppen und das Tischfigurentheater kam sie immer mehr zum Figuren-, Objekt- und Materialtheater. „Es ist einfach so schön, wenn Objekte lebendig werden“, sagt sie. Mehr brauche man nicht. Ein Stück Holz, eine Wäscheklammer. In allem steckt Leben. „Und je weniger vorhanden ist – keine Nase, kein Gesicht – desto mehr Phantasie können die Betrachtenden selbst hineinlegen.“

Gepfiffene Melodie

Das Reduzieren reizt sie. Noch weniger Fertiges liefern, noch mehr nur behaupten. Schau: das ist ein Ball-Abend! Im Stück „Bernsteinfee“ schneidet sie aus zusammengefaltetem Papier ein paar Schnipsel heraus, entfaltet daraus eine Figurenkette – die sie dann um ihren Hut legt und ihn sich drehen, drehen, drehen lässt. Eine gepfiffene Melodie, und schon ist Kurt auf dem Dorftanz und von Frauen umringt. Humorvoll und zauberhaft entstehen diese Szenen – und die Reaktion des Publikums zeigt, wie sie es schafft, der Fantasie der Betrachtenden Flügel zu geben.

Und anstecken möchte sie: Mut machen, einfach selbst mal irgendetwas in die Hand zu nehmen, dem eine Stimme zu verleihen und loszuspielen. „Das können nicht nur Kinder“, ist sie überzeugt.

Arbeit in Gremien

„Theater Randfigur“ hat Jana Sonnenberg ihr Solotheater genannt, und sie tourt damit durch MV und ganz Deutschland. Sie tritt auf Festivals auf und in Theatern, sie gastiert in Kirchen, Kulturzentren und Galerien, aber auch in Kitas und Schulen. „Hein Hannemann“ hat als Nächstes Premiere: ein Stück rund um den Rostocker Blondschopf vom Hafen – für Kinder und für Erwachsene und uk een bäten up platt.

Teile ihres Alltags bestehen aber auch aus Gremienarbeit, wenn sie nicht unterwegs ist. Sie arbeitet im Vorstand des Landesverbandes Freie Darstellende Künste MV, und beim Bundesverband Freie Darstellende Künste. Sie widmet sich der Konzeption und Durchführung von Kultur- und Theaterprojekten, berät andere bei der Antragstellung für Projektanträge – was in der Coronazeit besonder wichtig wurde. Sie führt Regie. Sie schreibt. Aber am liebsten spielt sie. Und es ist wunderbar, mit ihr zu entdecken, wieviel Leben doch in einer einzigen Garnrolle stecken kann.

Info
Am Donnerstag, 1. Dezember, läuft im Theater Neubrandenburg der „Zimtsterntaler“, am 6./7. Dezember, jeweils 10 Uhr „Die Prinzessin auf der Erbse“.„Hein Hannemann“ feiert Premiere in Rostock, Bühne 602, am 27. Januar,18 Uhr.