Auch Seeleute brauchen Notfallseelsorge

Havarien oder Unfälle können bei Seeleuten Probleme auslösen. Deshalb startet Diakon Dirk Obermann jetzt ein Programm zur psychosozialen Notfallversorgung.

Dirk Obermann, Projektleiter bei der Seemannsmission in Hamburg
Dirk Obermann, Projektleiter bei der Seemannsmission in HamburgPrivat / epd

Hamburg. Bei Polizei, Feuerwehr und Bundeswehr ist die psychologische Aufarbeitung nach belastenden Ereignissen mittlerweile Standard. Jetzt startet auch die Deutsche Seemannsmission ein Programm zur psychosozialen Notfallversorgung. Anfang April hat Seemannsdiakon Dirk Obermann (54), ehemaliger Leiter des Seemannsheims Bremerhaven, seinen Dienst als Projektleiter bei der Deutschen Seemannsmission in Hamburg aufgenommen. Zu seinen Aufgaben gehört, Reeder und Kapitäne für die psychischen Belastungen an Bord zu sensibilisieren, Seelsorgeeinsätze zu koordinieren und für eine Nachsorge der Mitarbeitenden in den Stationen zu sorgen.

Anfang Februar ging vor Bremerhaven eine junge Seefrau bei einem Unfall an Bord ihres dänischen Frachters über Bord. Trotz intensiver Suche konnte die 24-Jährige nicht gerettet werden. Einige Mitglieder der Besatzung mussten den Unfall mit ansehen und standen unter Schock. Gemeinsam mit anderen Helfern ging das Team der Seemannsstation Bremerhaven an Bord, um das Erlebte mit den betroffenen Seeleuten aufzuarbeiten. Die äußeren Rahmenbedingungen für die psychosoziale Versorgung war nach Einschätzung von Dirk Obermann gut, weil die Reederei die Hilfsaktion unterstützte. Doch das sei leider nicht die Regel.

Manchmal ist eine professionelle Therapie nötig

Vor allem schwere Unfälle an Bord wie Havarien oder Explosionen belasten die Psyche der Crew. Dazu kommen derzeit die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie und in besonderen Fällen auch Piratenüberfälle. Die Seemannsmission, so Obermann, habe schon immer Notfallseelsorge an Bord geleistet, wenn dies möglich war. Dabei gehe es vor allem darum, über ein Ereignis zu sprechen, das die Betroffenen nur schwer in Worte fassen können. Manche Seeleute müssten sich auch erst überwinden, Gefühle zuzulassen und auch mal zu weinen. Liegt aber eine Posttraumatische Belastungsstörung vor, ist eine professionelle Therapie notwendig.

Auf Frachtschiffen sind Seeleute oft wochenlang an Bord
Auf Frachtschiffen sind Seeleute oft wochenlang an BordMarkus Schildhauser / epd

In der Anfangszeit des Programms will Dirk Obermann erst einmal Kontakte zu den Reedern knüpfen und ein Netzwerk mit Partnern vor Ort aufbauen. Ein Arbeitskreis wird ein Konzept für die erweiterte Notfallseelsorge erarbeiten. Ein besonderes Anliegen des Projekts ist die Prävention. Vermitteln möchte Dirk Obermann, dass Seeleute nicht vor psychischen Belastungen gefeit sind und es jeden treffen könne. Die psychosoziale Notfallversorgung koste zwar etwas, entlaste aber die Crew an Bord.

Dirk Obermann ist Diakon und Sozialpädagoge. 2001 übernahm er die Seemannsmission in London, 2008 wechselte er nach Bremerhaven. Seit mehr als zehn Jahren ist er zudem Fachberater beim Havariekommando Cuxhaven. Sein neues Büro hat er im Ökumenischen Forum in der Hafencity. In seinem Dorf nördlich von Bremerhaven will er mit seiner Frau und den beiden Kindern aber wohnen bleiben. (epd)