Wenn es stark regnet, suppt es an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) an allen Ecken und Enden. Besonders schlimm ist es in einem Hörsaal, erzählt Fachschaftssprecher Vincent Hennecke: „Es tropft von der Decke, läuft an den Wänden herab, und vor der Tafel bilden sich Pfützen.“ Neben den unteren Hörsaaltüren stehen Eimer und ein Wasserschieber bereit. „Es wurden schon Teile des Dachs renoviert, aber dann regnet es einfach an einer anderen Stelle rein“, so Hennecke.
Wenn am Montag (13. Oktober) in Bayern die Vorlesungen des Wintersemesters starten, erwartet Studierende an zahlreichen Hochschulen im Freistaat ein Bild des Verfalls. Der Regensburger Student Felix Ipfling vom Landesstudierendenrat sagt: „Es gibt kaum Hochschulen in Bayern, an denen kein Sanierungsbedarf besteht.“ Dächer sind undicht, Wände voller Schadstoffe und ganze Gebäudeteile baufällig – und doch passiert vielerorts erstmal nichts.
So wird etwa der Hörsaal in Erlangen nicht geschlossen. Der Grund: Es gibt ohnehin zu wenig Hörsäle, und es besteht keine Gefahr für Leib und Leben. Anders ist es hundert Meter weiter an der Technischen Fakultät, wie Jannik Lieb von der Tech-Fachschaftsvertretung erzählt. Seit diesem Semester sind die Hörsäle H1 bis H3 aufgrund der hohen Belastung mit dem krebsauslösenden Stoff PCB geschlossen. Bereits vorher warnten Schilder Schwangere und Stillende vor dem Betreten des Gebäudes. „Das waren die einzigen Hörsäle, in denen experimentelle Chemie-Vorlesungen stattfinden konnten“, sagt Hennecke.
Viele weitere Missstände gibt es im Erlanger Süden – von defekten Toiletten bis hin zu Laboren, die wegen aktueller Belüftungsanforderungen nicht mehr genutzt werden dürfen, was die Arbeit einer neu berufenen Professorin erschwert. Zustände, die auch die Philosophische Fakultät schon lange plagen.
Was viele dieser Gebäude gemeinsam haben: Sie stammen aus den 1960er und 70er Jahren. „In dieser Zeit gab es einen Bauboom, weil die Studierendenzahlen stark angestiegen sind“, sagt Architekt Hartmut Niederwöhrmeier. „Damals war die Mentalität, dass man Gebäude für eine Betriebszeit von 30 bis 50 Jahren gebaut hat, und dann ging man ohnehin davon aus, dass neu gebaut wird. Das war der damalige Fortschrittsglaube und die Vorstellung von unbegrenzten Ressourcen.“
Zwar habe man auch damals schon Erneuerungszyklen gekannt, doch seien Sanierungen oft hinausgezögert und auf Dauer nicht genug Geld dafür eingeplant worden. Grundsätzlich seien aber die Schadensbilder an vielen Hochschulen „nicht allein abhängig vom Alter der Gebäude, sondern von der Qualität der Ausführung und der Pflege“, so der ehemalige Dekan der Architektur-Fakultät der Technischen Hochschule Nürnberg.
„Es ist ein Dilemma“, sagt eine FAU-Sprecherin. Neubauten sollen auf Dauer einige der alten Bestandsgebäude ablösen, doch bis dahin dauere es oft noch Jahre oder sogar Jahrzehnte. „Und es ist schwer vertretbar, noch viel Geld in Gebäude zu investieren, bei denen klar ist, dass sie abgerissen werden.“
Von diesem Geld ist ohnehin zu wenig da. Laut FAU-Kanzler Christian Zens sind von den rund 300 Standorten der FAU 70 Prozent unsaniert. Um allein den Status quo aufrechtzuerhalten, bräuchte die FAU mehr als 34 Millionen Euro pro Jahr, sagte er im Kanzler-Podcast der Uni. Im Haushalt des Freistaats seien aber nur sechs Millionen Euro pro Jahr dafür vorgesehen.
Ähnlich sieht es an der Universität Regensburg aus, die 1962 gegründet wurde. Laut Gerhard Haslbeck, Baudirektor am Staatlichen Bauamt, das Instandhaltungsprojekte für die Uni durchführt, steht auch hier pro Jahr ein einstelliger Millionenbetrag für hunderte von Einzelmaßnahmen zur Verfügung. Und auch in Regensburg bröckelt es an vielen Stellen gleichzeitig. Besonders sichtbar wird das auf dem Uni-Hauptplatz, dem Forum.
An der Ludwig-Maximilians-Universität München sind Baumängel laut Zoe Ebner von der Studierendenvertretung ebenfalls ein großes Thema. Für die mit Asbest belastete Sprachwissenschaftliche Fakultät beispielsweise seien nicht genügend Gelder vorhanden, um den aufwändigen Austausch der undichten Fenster zu finanzieren.
Laut einem Sprecher des bayerischen Wissenschaftsministeriums investiert der Freistaat so viel wie noch nie in seine Hochschulen. Seit 2018 seien die Mittel für den Hochschulbereich um 37,5 Prozent gesteigert worden – auf mehr als sieben Milliarden Euro pro Jahr. Die Sach- und Investitionsmittel, die den Bauunterhalt und kleinere Maßnahmen einschließen, machen dabei laut Ministerium rund 1,8 Milliarden Euro aus.
Wie viel Geld pro Uni jährlich für Bestandsgebäude zur Verfügung steht, scheint dabei aber vor allem ein Rechenspiel zu sein. Das Wissenschaftsministerium argumentiert, dass Unis seit dem letzten Staatshaushalt mehr Spielraum hätten, die Finanzmittel flexibel einzusetzen. Die Bauunterhaltsmittel „sind somit nicht gedeckelt, sondern Teil eines größeren Gesamttopfes für den Unterhalt von Infrastruktur, der im Fall der FAU mit 55 Millionen Euro dotiert ist“. Die FAU wiederum weist darauf hin, dass aus diesem Topf auch Mieten und Energiekosten für Gebäude und Grundstücke sowie für Maschinen und Software bezahlt werden müssen. „Verschiebungen lassen sich hier also kaum vornehmen“, so eine Sprecherin.
Selbst aus Drittmitteln für Forschungsprojekte würden aktuell Baumaßnahmen querfinanziert. Die 1,5 Milliarden Euro, die der Freistaat aktuell in einer Investitionsoffensive in die FAU pumpt, sind laut Unisprecherin vor allem für Neubau- und Sanierungsgroßprojekte gedacht, nicht für den allgemeinen Bauunterhalt.
Laut Ipfling plant der Landesstudierendenrat einen Fotowettbewerb zu den „krassesten Sanierungssünden oder -mängeln aus Bayern“. Die Studierendenvertreter wollen sich für die aktuelle Generation Studierender einsetzen. „Bis die geplanten Neubauten die jetzigen Gebäude ersetzen, ist es 2050 oder 2060. Für manche Studiengänge gibt es noch gar keine verlässlichen Perspektiven“, sagt Hennecke. Er kritisiert, dass das Geld für Leuchtturmprojekte wie die Hightech Agenda Bayern oft lockerer sitze, „aber es ist kein Geld für die Strukturen da, die bereits vorhanden sind“. (3106/07.10.2025)