Altbischof Wilckens war Mitglied der Waffen-SS

Sein Vater war begeisterter Hitler-Anhänger, und als 15-Jährige meldete sich Ulrich Wilckens bei der Waffen-SS an. Das schreibt der Lübecker Altbischof in seiner Autobiografie.

Der Lübecker Altbischof Ulrich Wilckens
Der Lübecker Altbischof Ulrich WilckensThomas Morell

Lübeck/Hamburg. Der frühere Lübecker Bischof Ulrich Wilckens war als Jugendlicher Mitglied der Waffen-SS. Dies hat der 91-jährige Theologe in seiner Autobiografie „Warum ich Christ wurde“ eingeräumt, die Ende 2019 erschienen ist. Weil er eine jüdische Urgroßmutter hat, hätte er nach der NS-Ideologie gar nicht aufgenommen werden dürfen, schreibt er.

Wilckens stammt nach eigener Beschreibung aus einem religionsfernen Elternhaus. Sein Vater war Arzt in Hamburg und lehnte Religion ab. Er habe zwar zugelassen, dass die Kinder getauft wurden – allerdings zu Hause durch einen befreundeten Pastor. Wilckens: „Ob der diese Taufen überhaupt nach dem christlichen Ritus der Kirche vollzogen hat, habe ich später nie herausbekommen.“

Ein Gefallen für den Vater

Wilckens‘ Vater war frühes Parteimitglied der NSDAP und begeisterter Hitler-Anhänger. Wilckens selbst war Schüler des Hamburger Johanneums und Mitglied der Hitler-Jugend. Als der Vater als Militärarzt eingezogen wurde, zog die Familie 1941 aus dem unsicheren Hamburg in den Schwarzwald nach Hinterzarten.

Anders als der junge Wilckens waren seine Mitschüler in Hinterzarten eher regimekritisch. „Bald stellte sich heraus, dass ich als einziger Mitschüler Hitler verehrte.“ 1943 habe er sich als 15jähriger Schüler nach dem Vortrag eines SS-Offiziers bei der Waffen-SS angemeldet. Er habe unterschrieben, um „meinem Vater einen Gefallen zu tun und zugleich die Ehre meiner Schule zu retten“. Mit einer jüdischen Urgroßmutter hätte er allerdings gar nicht eintreten dürfen, schreibt Wilckens. Sein Bruder etwa sei deshalb 1944 von der Musikhochschule Berlin ausgeschlossen worden.

Bei einer „militärischen Vorübung“ 1944 sei es zum „inneren Bruch mit der SS“ gekommen. Die Liedzeile „Wenn das Judenblut vom Messer spritzt…“ habe er nicht mitsingen können. Im Januar 1945 wurde er zur Waffen-SS nach München einberufen. Bei einem Kampfeinsatz wurde er von einem Panzer im Schützengraben überrollt, überlebte aber unverletzt. Dieses Wunder war für den späteren Bischof ein Bekehrungserlebnis. Kurz darauf beschloss er, evangelische Theologie zu studieren.

Ein zweites Wunder

Nach Stationen an den Universitäten Heidelberg, Marburg und Berlin wurde Wilckens 1968 Theologie-Professor in Hamburg. Seine Übersetzung des Neuen Testaments war ein Bestseller. 1981 wurde er zum Lübecker Bischof gewählt. Bekannt wurde er unter anderem durch seine Predigt bei der Trauerfeier für Ministerpräsident Uwe Barschel (CDU) im Oktober 1987. Es habe eine „knisternde Spannung“ in der Luft gelegen, doch er habe die politischen Aspekte nicht ausblenden wollen. Zur Absicherung habe er seine Predigt vorher den beiden Parteivorsitzenden Heiko Hoffmann (CDU) und Björn Engholm (SPD) vorgelegt.

Gegen Ende seiner Amtszeit erkrankte er an Bauchspeichendrüsen-Krebs. Nach einer achtstündigen Operation hätten ihm die Ärzte maximal noch ein Jahr Lebenszeit gegeben, schreibt er. Dass er trotzdem geheilt wurde, sei für ihn das zweite Wunder seines Lebens.

Wilckens lebt heute in Lübeck. Er zählt zum konservativen Flügel der Nordkirche und meldet sich bisweilen zu Abtreibung und Homo-Ehe kritisch zu Wort. Die Nordkirche würdigte ihn 2018 zu seinem 90. Geburtstag mit einem Symposium. Das Manuskript für seine Biografie hat er mit Bleistift geschrieben. Nach einem Sturz sei seine Schrift „etwas krakelig“ geworden, räumt er ein. Seine Assistentin sei wohl die einzige, „die meine Schrift noch lesen kann.“ (epd)