Alle Klöster in einem Buch

Sieben Jahre lang wollen Kieler und Greifswalder Forscher sammeln, sichten und auswerten, was zu den sakralen Einrichtungen des historischen Pommern noch zu finden ist. Ein ehrgeiziges Projekt.

Blick in die ehemalige Zisterzienserinnenabtei Marienfließ/Marianowo
Blick in die ehemalige Zisterzienserinnenabtei Marienfließ/MarianowoThomas Helms

Greifswald/Kiel. Es ist wie ein großes Puzzle. Urkunden, Noten und literarische Texte, Kunstgegenstände, Kirchen und archäologische Funde – praktisch alles, was von Klöstern, Stiften, Orden und anderen religiösen Einrichtungen des historischen Pommern beiderseits der Oder noch zu finden ist, soll in den kommenden sieben Jahren gesichtet werden. Forscher der Universitäten Kiel und Greifswald wollen ein „Pommersches Klosterbuch“ erarbeiten – ein Standardwerk, das die religiösen Institutionen von ihren Anfängen im 11. Jahrhundert bis zu ihrer Aufhebung im Zuge der Reformation möglichst vollständig beschreibt. Auch ein Kulturführer und eine Internetseite sind geplant.

„Die religiösen Niederlassungen hatten einen immensen Einfluss auf die kirchliche, politische, kulturelle und ökonomische Entwicklung Pommerns“, sagt Projektleiter Oliver Auge, Professor für Regionalgeschichte an der Universität Kiel. Darum sei dieser Überblick so wichtig. Und der jüngste Versuch, alles Wissen zu bündeln, stammt noch aus den 1920er-Jahren – während viele andere Regionen längst moderne Klosterbücher haben.

Hohe Fördersumme

Historiker Haik Porada, Vorsitzender der Historischen Kommission für Pommern, ist glücklich, dass man in der Region endlich nachzieht – mit Unterstützung vieler: 1,65 Millionen Euro Fördermittel geben der Bund, das Land Mecklenburg-Vorpommern und mehrere Stiftungen. „Das ist für unsere Kommission ein besonderes Geschenk“, sagt er. Die Kommission hatte das Projekt angeregt.

Die Klosterruine Eldena Foto: Christine Senkbeil
Die Klosterruine Eldena Foto: Christine Senkbeil

Leiter Oliver Auge freut sich auf die Arbeit. „Klosterforschung macht glücklich“, sagt er und schmunzelt. Mit einem Team hatte er bis 2019 bereits das Klosterbuch für Schleswig-Holstein und Hamburg erarbeitet. Nun entsteht an der Uni Greifswald eine zweite Arbeitsgruppe, mit dem jungen Historiker Robert Harlaß an der Spitze, der zu geistlichen Orden in Sachsen geforscht hat. Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter, eine studentische und eine wissenschaftliche Hilfskraft sollen noch angestellt werden. Außerdem sind Mitarbeitende aus Museen und Archiven in Polen, Dänemark und Schweden als Projektpartner beteiligt – die Klöster waren europaweit vernetzt.

Auge rechnet damit, dass man „eine Vielzahl neuer Erkenntnisse“ gewinnen wird – wie schon beim Klosterbuch für Schleswig-Holstein. „Da haben wir etwa entdeckt, dass die Kartäuser-Mönche in Ahrensbök schon auf eine Weise Holz anbauten, die man heute nachhaltig nennt“, erzählt er. Vorher wurde der Nachhaltigkeitsgedanke auf Forstwirt Carlowitz im 18. Jahrhundert zurückgeführt. Ob auch die Kartäuser im pommerschen Rügenwalde schon nachhaltig wirtschafteten, werde sich zeigen.

Paukenschlag aus Pommern

Besonders reizvoll findet Auge auch die Erforschung der Anfangszeit: das 12.Jahrhundert, als Mönche von Dänemark aus nach Pommern kamen und dort Klöster gründeten, darunter in Eldena bei Greifswald. „Damals kam Pommern mit einem Paukenschlag in einen europäischen Brennpunkt hinein“, sagt Auge. Um 1124 hatte hier unter Bischof Otto von Bamberg die Mission begonnen.

Das Projekt soll in zwei Etappen laufen. In den ersten dreieinhalb Jahren wollen die Forscher alles sammeln, was von den 64 oder mehr sakralen Niederlassungen noch erhalten ist. Allein das Greifswalder Uniarchiv will 7000 Urkunden aus pommerschen Klöstern digital zugänglich machen, wie Leiter Dirk Alvermann erklärt. „Ein so leicht zu handhabendes digitales Nachschlagewerk zu den pommerschen Klosterurkunden vom 12. bis zum 16. Jahrhundert gab es bisher nicht“, sagt er.

Tourismus soll profitieren

In der zweiten Projektphase sollen Autoren aus den Bereichen Uni, Archivwesen, Archäologie, Denkmalpflege und kompetenter Laienforschung für jeweils eine Niederlassung das Gefundene auswerten und Artikel für das Klosterbuch schreiben. Beim Land MV glaubt man, dass nicht nur die Wissenschaft, sondern auch der Tourismus davon profitieren. „Unser Land ist ja bekannt für seine wunderschöne Backsteingotik, die ästhetischen Kirchen“, sagt Kulturministerin Bettina Martin. „Aber die sakrale Geschichte geht noch viel weiter zurück.“ Das werde dann sichtbar, und ein Kreis schließe sich. „Das Klosterbuch für Mecklenburg gibt es seit 2016. Nun entsteht auch eins für Pommern.“