50 Jahre im Dienst der Orgel

Der Familienbetrieb Mecklenburger Orgelbau ist sehr gefragt – auch wenn der Chef ein ganz anderes Instrument spielt.

Drei Orgelbauer in ihrer Werkstatt (v.l.): Andreas Arnold, seine Ehefrau Ruth und Firmengründer Wolfgang Nußbücker
Drei Orgelbauer in ihrer Werkstatt (v.l.): Andreas Arnold, seine Ehefrau Ruth und Firmengründer Wolfgang NußbückerSophie Ludewig

Plau am See. Wolfgang Nußbücker kam Mitte der 1960er-Jahre aus Thüringen in den Norden, um sich als Orgelbauer selbstständig zu machen. „In meiner alten Heimat gab es ein Überangebot an Orgelbauern, aber in Mecklenburg waren sie damals sehr rar gesät, und so bin ich dann hier gelandet“, erzählt der 79-Jährige. Die Liebe zur Orgel wurde ihm sozusagen in die Wiege gelegt: „In meiner Familie gab es schon immer viele Organisten, und wir haben oft gemeinsam musiziert zu Hause. Ich wollte zwar eigentlich Feinmechaniker werden, aber als das nicht geklappt hat, war der Weg zum Orgelbau nicht mehr weit.“
Mit seinem Meisterbrief in der Tasche musste er in Plau allerdings praktisch bei Null anfangen. „Es gab am Anfang keine geeignete Werkstatt, die habe ich mir erst selbst gebaut. Auch das Beschaffen von Material war zu DDR-Zeiten ein ewiger Kampf, sodass ich die Orgelteile schließlich alle selber angefertigt habe. Da musste ich viel herumbasteln, bis ich die erste Metallpfeife fertig hatte, die ich mit gutem Gewissen verkaufen konnte“, erinnert sich Wolfgang Nußbücker.

Schwiegersohn übernimmt Betrieb

Bis 1999 baute und restaurierte er viele Orgeln nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, sondern unter anderem auch in Berlin, Magdeburg oder Tschechien. Dann übergab er die Leitung des Mecklenburger Orgelbaus an seinen Schwiegersohn Andreas Arnold, der 1981 bei ihm als Lehrling angefangen hatte. „Ich hatte immer schon ein Interesse für etwas ausgefallenere Berufe und auch mal überlegt, ob ich nicht Schieferdecker oder Blechblasinstrumentenbauer werden soll. Aber dann habe ich einen Orgelbauer kennengelernt und mir war sofort klar: Das ist genau das, was ich machen möchte“, blickt Andreas Arnold zurück.
Als Pfarrerssohn habe er die Kirchenmusik, und damit auch die Faszination für die Orgel, gewissermaßen mit der Muttermilch aufgesogen. „Ich finde, die Orgel wird zu Recht die Königin der Instrumente genannt, weil sie an Klangbreite und Volumen kaum mit anderen Instrumenten vergleichbar ist“, meint der 51-Jährige. Er selbst spielt am liebsten ein ganz anderes Instrument – und zwar die Tuba. Aber er hört sehr gern Orgelmusik. Vor allem ein Komponist begeistert ihn dabei besonders: „Also, Johann Sebastian Bach ist für mich schon der Beste. Gerade sein Weihnachtsoratorium, wenn es da mit diesem „Jauchzet, frohlocket“ beginnt, dann berührt mich das jedes Mal aufs Neue.“

Den Klang wiederentdecken

Zu den schönsten Momenten in seinem Beruf gehört für Andreas Arnold, wenn er eine Orgel restauriert hat, die lange nicht mehr gespielt werden konnte. „Es ist einfach ein tolles Gefühl, wenn man diesen Klang dann wiederentdecken darf, wie zum Beispiel in Groß Wokern bei Teterow. Weil die Orgel dort so gut wie keine intakte Pfeife mehr besaß und vom Holzwurm total zerfressen war, wollte die Gemeinde sie eigentlich schon entsorgen oder an ein Museum abgeben. Gott sei Dank hat sie sich dann aber anders entschieden und mittlerweile sind alle überzeugt, dass sich das wirklich gelohnt hat.“
Oft liegt es am Holzwurm, an Nagetieren oder an undichten Fenstern und Dächern, wenn eine Orgel einer Restaurierung bedarf. Um so viel wie möglich von der ursprünglichen Substanz zu erhalten, werden die einzelnen Teile dabei selten komplett ausgetauscht. Das wichtigste Material für Orgelbauer ist gut abgelagertes Holz. Aus Eiche, Buche, Esche, Kirsche, Kiefer, Fichte oder Birne kann er die verschiedenen Teile herstellen, vom Gehäuse bis hin zu ganz feinen Pfeifen.
Auch wenn die Grundlagen des Orgelbaus heute immer noch dieselben sind wie früher, habe sich die Arbeit des Orgelbauers in den letzten Jahrzehnten etwas verändert, erklärt Andreas Arnold: „Früher wurden deutlich mehr Neubauten in Auftrag gegeben. In den letzten Jahren haben dann die Restaurierung und die Pflege von Orgeln an Bedeutung gewonnen, weil die Leute wieder mehr Wert auf die Erhaltung von vorhandenem Kulturgut legen.“ Ihm selbst gefalle es sowohl, eine Orgel ganz neu zu bauen, als auch, an der Restaurierung eines alten Instruments mitzuwirken, wie zum Beispiel bei der Orgel in der Dorfkirche Redefin, deren Bestandteile teilweise aus dem Jahr 1602 stammen.

Ehefrau springt ein

Bei solchen besonderen Projekten ist auch seine Ehefrau Ruth gern vor Ort dabei, die im Familienbetrieb für die Büroarbeit zuständig ist. Wenn ein Mitarbeiter mal ausfällt, kann Ruth Arnold aber auch selbst mit einspringen, denn auch sie hat eine Ausbildung zur Orgelbauerin absolviert. „Da ich hier aufgewachsen bin und die Werkstatt schon immer zu unserem Zuhause dazugehörte, bin ich in den Beruf quasi so reingerutscht“, meint sie schmunzelnd. Ob eine ihrer beiden Töchter oder ihr Sohn einst das Unternehmen weiterführen, sei bisher noch nicht entschieden, aber die Eltern finden: „Es wäre doch schön, wenn es mit dem Orgelbau in Plau weitergeht.“