15 Minuten, die den Unterschied machen

Eine Vierstelstunde ist viel Zeit, wenn es sonst immer schnell gehen muss. Mit dem Spendenprojekt „zuGabe“ verschafft die Diakonie Südheide in Celle ihren Patienten und Pflegekräften 15 Minuten Freiraum pro Woche – zum Klönen und Kennenlernen.

Altenpflegerin Petra Zahn mit dem Pflegebedürftigen Rudy Guse
Altenpflegerin Petra Zahn mit dem Pflegebedürftigen Rudy GuseJens Schulze

Celle. Noch mal in die Kamera gucken, lächeln. Rudy Guse hat Spaß am Modeln. Jetzt zieht Pflegerin Petra Zahn ihm die Kompressionsstrümpfe an, beide blicken Richtung Kamera – Klick.  Seit März 2016 gibt es bei der Diakonie Südheide die Aktion „zuGabe“. Spenden machen es möglich, dass Patienten und Pflegekräfte einmal in der Woche eine Viertelstunde Zeit haben, die nicht von der Pflegeversicherung vorgesehen ist. Guse hat dafür mit seinem Lächeln schon überlebensgroß an der Celler Stadtkirche geworben.
Zwei Schlaganfälle hat der ehemalige Elektriker der Bundespost überstanden, die Augen ­wollen nicht mehr so richtig, er sitzt im Rollstuhl. Pflegerin Petra Zahn oder eine Kollegin helfen seit drei Jahren beim Duschen, Waschen und der Insulinspritze. Am Anfang gab es die „zuGabe“ noch nicht. 

Zuwendung für Patienten

Und diese Viertelstunde zusätzlich sei tatsächlich ein Unterschied, sagt der 82-Jährige: „Da kann man sich gegenseitig auch was erzählen.“ Und seine Frau Christa ergänzt: „Die Pflegerinnen haben uns nie das Gefühl gegeben, dass sie eigentlich keine Zeit haben, aber nun können sie auch auf ein Gespräch bei einer Tasse Kaffee bleiben – und das ist schön.“ 
Petra Zahn pflegt seit 36 Jahren Menschen. „Diese Viertelstunde in der Woche, die ist kurz – aber sie ist sehr wichtig“, sagt die 54-Jährige. Viele der Patienten seien allein. „Wir reden über Gott und die Welt und hören, was die Leute belastet.“ Die rund 90 Kollegen würden es genießen, sich den Patienten zuwenden zu können. Aber auch diese 15 Minuten seien im Dienstplan berücksichtigt, sagt Zahn: „Wir müssen schon aufpassen, dass wir uns nicht verquatschen.“
Die Idee für das Spendenprojekt „zuGabe“ ist bereits im Jahr 2015 entstanden. Maik Mengel, Geschäftsführer der ­Diakonie Südheide, erzählt: „Wir haben uns gefragt, wie wir unserem diakonischen Profil gerecht werden können. Da stellte sich sehr schnell heraus, dass wir mehr Zeit für Menschen benötigen.“ 

Pflege für die Seele

Der Kostendruck sei hoch. Aber Mengel betont: „Es geht auch um Pflege für die Seele, da wollen wir ein Signal setzen.“ Seit Mitte 2016 seien schon mehr als 6100 ­„zuGaben“ gesammelt worden. Mengel: „91 500 Minuten Zeit für Gespräche.“ Firmen und Privatleute haben gespendet, etwa nach Geburtstagen und Jubiläen. „Schon 5 Euro schenken einmalig eine ,zuGabe‘, sagt Mengel. 
„Diese Zeit für die zu Betreuenden ist sonst in der ambulanten Pflege nicht vorhanden.“ Auch für die Familien der Patienten sei das Projekt wichtig. Häufig lebten die Kinder weit entfernt von den Eltern. „Es ist entlastend für die Angehörigen, wenn sie wissen, dass ihre Verwandten auch noch andere Ansprechpartner haben.“ 
Guses haben es da gut. Ein Sohn und die Schwiegertochter leben im selben Haus. Das Ehepaar, das seit 57 Jahren verheiratet ist, freut sich über sechs Enkelkinder – und das erste Urenkelkind ist unterwegs. Christa Guse weiß auch, was die professionelle Hilfe der Diakonie Südheide bedeutet – aus Erfahrung: „Ich habe meine Eltern und meine Schwiegermutter bis zu ihrem Tode gepflegt.“