Wie ein Hamburger Kapitän Flüchtlingen helfen will

Richtige Seeleute interessiere weder Hautfarbe noch Religion, sagt Werner Czerwinski. Der Kapitän will vor der Küste Lybiens Flüchtlingen helfen.

Der Hamburger Kapitän Werner Czerwinski vor der "Alan Kurdi"
Der Hamburger Kapitän Werner Czerwinski vor der "Alan Kurdi"Fabian Heinze / sea-eye.org

Hamburg/Palma de Mallorca. Waschechter Hamburger, ausgebildeter Seemann, reich an Lebenserfahrung – das sind gute Voraussetzungen, um im Mittelmeer zu helfen, dachte sich der Kapitän Werner Czerwinski (59) und nahm Kontakt zur Regensburger Hilfsorganisation „Sea-Eye“ auf. Jetzt nimmt die „Alan Kurdi“ unter seinem Kommando Kurs auf Libyen mit dem Ziel, Menschen in Seenot zu helfen. Er habe überlegt, „was er in seinen letzten Berufsjahren noch Sinnvolles machen“ könnte. Es gehört dazu, dass man als Seefahrer hilft, wenn Menschen in Seenot geraten. „Das habe ich von der Pike auf gelernt.“
Seit einer Woche ist Czerwinski in Palma de Mallorca und hilft, die „Alan Kurdi“ auf die nächste Mission vorzubereiten. Wenn es schließlich losgeht, habe er keine „gemischten Gefühle“, sagt er. Als er die „Alan Kurdi“ das erste Mal betrat und die Verantwortlichen von „Sea-Eye“ traf, habe er sofort gedacht: „Hier bist Du richtig.“ Neben Czerwinski sind sechs weitere ausgebildete Seeleute an Bord. Zusätzlich kommen bis zu zwölf Freiwillige mit auf jede Mission, die in der Regel drei Wochen dauert.
Richtige Seeleute interessiert weder die Hautfarbe noch die Religion, sagt der Vater von zwei erwachsenen Kindern. Er gehe zwar nur selten in die Kirche, aber „irgendwie gläubig“ sei er schon. Das spiele aber für seine Entscheidung keine Rolle. „Ich will einfach helfen“, sagt Czerwinski. „Wenn im Hamburger Hauptbahnhof jemand am Boden liegt, reiche ich ihm ja auch die Hand.“

Klein und wendig

Czerwinski fährt zur See, seit er 16 Jahre alt ist. Da hat er schon häufig Schiffen der Küstenwache bei der Seenotrettung assistiert. Das war auf großen Handelsschiffen, deren Rettungsboote nicht für die Aufnahme von Menschen ausgelegt sind, sondern lediglich für den Aufenthalt der Crew im Fall eines Schiffbruchs. „Mit einem riesigen Tanker nah an ein Schlauchboot heranzufahren, ist extrem gefährlich“, erzählt der Kapitän.
Das wird mit der „Alan Kurdi“ anders: Das Schiff ist mit 39 Metern deutlich kleiner und daher leichter zu manövrieren. Für den Personentransport sei das Schiff allerdings ungeeignet. Die Vorschriften der Bundesflagge sind da eindeutig. Dennoch ist der Kapitän in einem Seenotfall zur Hilfe verpflichtet. „So will es das internationale Gesetz“, sagt Czerwinski.
Der Hamburger ist sich ziemlich sicher, dass er im Fall einer Rettung professionell handeln wird. Über eventuelle rechtliche Konsequenzen macht er sich keine Sorgen. „Dann wäre ich hier falsch.“ Er werde im entscheidenden Moment schon das Richtige tun. „Ich helfe den Menschen, und was dann passiert, wird sich zeigen.“ Wie er später, wenn er wieder in Hamburg ist, mit den Bildern vom Leid der Menschen umgehen wird, weiß er noch nicht. Er hat mit seinem Hausarzt darüber gesprochen, dass das sehr belastend sein kann.

Heimathafen Stralsund

Czerwinski will von seinem Wissen, das er sich während seiner Laufbahn angeeignet hat, so viel wie möglich an die jungen Menschen weitergeben, die als Freiwillige an Bord der „Alan Kurdi“ kommen. Das 70 Jahre alte Motorschiff fuhr bisher als Forschungsschiff für das Land Mecklenburg-Vorpommern unter dem Namen „Professor Albrecht Penck“. „Sea-Eye“ erwarb es im Oktober 2018 und taufte es im Februar in Palma auf den Namen des zweijährigen syrischen Jungen, dessen Foto 2015 um die Welt ging. Er lag tot am Strand im türkischen Bodrum. Der Heimathafen des Schiffes ist Stralsund.
Die private Hilfsorganisation hat mit den inzwischen ausgemusterten Schiffen „Sea-Eye“ und „Seefuchs“, ehemaligen Fischkuttern, nach eigenen Angaben bisher 60 Rettungseinsätze im Mittelmeer gefahren. Die Organisation wurde im Oktober 2015 von Michael Buschheuer gegründet und im vergangenen Jahr mit dem „Smart Hero Award“ ausgezeichnet. Anfang März wurde sie für den Deutschen Engagementpreis 2019 nominiert. (epd)