Wie der Kältebus Obdachlose rettet

Mindestens vier Obdachlose sind in diesem Winter in Hamburg schon gestorben. Ein neuer Kältebus der Tagesstätte Alimaus soll solche Tragödien künftig verhindern. Ein Einblick in die Arbeit der Helfer.

Die ehrenamtlichen Helfer Ronald Kelm (li.) und Michael Knuth am Kältebus
Die ehrenamtlichen Helfer Ronald Kelm (li.) und Michael Knuth am KältebusMichael Althaus / KNA

Hamburg. Der rote VW-Bulli ist keine fünf Minuten unterwegs, da klingelt schon das Telefon. Die Anruferin macht sich Sorgen um einen Obdachlosen im Volkspark, etwas abseits des Stadtzentrums. Ohne Decke oder Schlafsack liege der Mann mittleren Alters im Gebüsch. „Der wurde schon einmal gemeldet, aber wir fahren gleich noch mal hin“, sagt Ronald Kelm. Er ist einer von drei ehrenamtlichen Mitarbeitern, die an diesem Abend im Kältebus auf Tour sind – ein Angebot, das erst vor etwa drei Wochen aus der Not heraus geboren wurde.
Zwischen Ende Oktober und Ende November sind mindestens vier Obdachlose auf Hamburgs Straßen gestorben. Das Straßenmagazin Hinz&Kunzt forderte daraufhin einen Kältebus, der hilfsbedürftige Obdachlose aufsucht und sie in Notunterkünfte bringt. Denn die Zahl derer, die auf Hamburgs Straßen schlafen, hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Einer Zählung zufolge sind es derzeit knapp 2000 Menschen, darunter viele Osteuropäer.

Jeden Abend im Einsatz

Christiane Hartkopf von der Obdachlosen-Tagesstätte Alimaus zögerte nicht lange: Innerhalb weniger Tage organisierte die Leiterin der ökumenischen Einrichtung Spenden, Ehrenamtliche und einen Bulli. Nun ist der Bus täglich von 19 bis 24 Uhr unterwegs. Unter einer Handynummer können Bürger Obdachlose melden, die vielleicht gefährdet sind.
Auf den Straßen sind an diesem Abend nur wenig Menschen unterwegs. Ronald Kelm (58) hat auf der Rückbank des Kältebusses Platz genommen. Vorne sitzen Michael Knuth (59) und Nico di Stefano (49). Kelm und Knuth sind bereits in der Obdachlosenarbeit aktiv. Bevor die drei Helfer in den Volkspark aufbrechen, machen sie zunächst einen Abstecher in die Innenstadt. Auch dort hatten Passanten Obdachlose gemeldet.
Tatsächlich liegt unter dem Vordach eines Geschäftshauses ein junger Bulgare – gut eingepackt in Schlafsack und Decken. „Alles gut“, bestätigt der Mann. Er brauche keine Unterkunft. Der Fall ist eindeutig: Wer nicht mitfahren will, den nimmt der Kältebus auch nicht mit.  Die drei sind kaum wieder im Bulli, da kommt schon der nächste Anruf – diesmal von der Bahnhofsmission. Ein Obdachloser möchte in die Notunterkunft, findet aber den Weg nicht. Er ist vor einigen Tagen schon einmal mit dem Kältebus in ein Quartier gefahren. Weil der Ostdeutsche erst seit Kurzem in Hamburg Platte macht, fehlt ihm dort die Orientierung. Als das Team ihn bei der Unterkunft abliefert, bittet es die Mitarbeiter darum, dem Mann einen Stadtplan zu geben.

"Nötiger denn je"

Nun geht es endlich in den Volkspark. Nico di Stefano folgt der Wegbeschreibung der Anruferin – eine Herausforderung in Hamburgs größtem, teils dicht bewaldeten Park. Er stoppt an einer Schranke, wo zwei Frauen mit Hunden auf den Kältebus zukommen. Auch sie haben den Obdachlosen gesehen, angeblich unter einer Plane in einem Rhododenron-Busch. Doch nach einer Viertelstunde geben die Mitarbeiter die Suche mit Taschenlampen auf. Er ist offenbar verschwunden.
Bereits die Erfahrungen der ersten Tage zeigten, dass ein Kältebus in Hamburg nötiger denn je sei, sagt Kelm. Selbst Polizei und Feuerwehr meldeten Hilfsbedürftige. „Wünschenswert wäre eigentlich, dass die Stadt einen solchen Bus betreibt.“ Die verweist auf ihr Winternotprogramm und das bereits bestehende Hilfesystem.
Doch die öffentlichen Massenunterkünfte mit mehreren Hundert Betten sind nicht für jeden etwas. „Was sollen wir da?“, fragt ein Mann, der mit Freunden im Eingangsbereich des Bahnhofs Altona liegt und ein Bier trinkt. „Hier haben wir Getränke. Hier haben wir Gesellschaft.“ Auch wenn aus dieser Gruppe niemand mitfährt – enttäuscht sind die Helfer nicht: „Wenn wir mit dem Kältebus nur ein einziges Leben gerettet haben, dann ist er schon ein Erfolg“, sagt Roland Kelm und steigt wieder in den Bulli. (KNA)
Info
Der Kältebus ist zu erreichen unter Tel. 0151 / 65 68 33 68.