Was die „Grasbeißerbande“ noch wissen möchte

Warum die Zähne putzen, wenn man bald sterben muss? Solche und andere Fragen von sterbenskranken Kindern haben Susen und Karsten Stanberger gesammelt. Herausgekommen ist ein besonderes Buch für den guten Zweck.

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Warum die Zähne putzen, wenn man eh bald sterben muss? Solche und andere Fragen von sterbenskranken Kindern haben Susen und Karsten Stanberger gesammelt. Herausgekommen ist ein besonderes Buch für den guten Zweck.Bonn. "Warum soll ich mir die Zähne putzen, wenn ich eh ins Gras beiße?" – diese Frage ließ Karsten Stanberger nicht mehr los. Gestellt hatte sie der achtjährige Max. Max hat Leukämie. Als sein "Babysitter", ein Freund von Stanberger, den Jungen ins Bett bringen will, weigert sich dieser, die Zähne zu putzen. Nachdem der Freund von dem Erlebnis erzählt habe, habe ihn die Frage wie ein "Dorn im Fleisch" gesessen, so Stanberger. "Ich habe mich gefragt, wie ich selbst darauf geantwortet hätte."
Stanberger und seine Frau Susen, selbst Eltern von zwei Kindern, beschäftigt das Thema immer weiter. "Es sind immer die Schicksalsschläge und Verluste, die uns dazu bringen, über das eigene Leben nachzudenken." Die Frage des kleinen Max habe etwas mit ihnen gemacht. "Und es hat was mit den Menschen gemacht, mit denen wir darüber gesprochen haben." So entstand die Idee, Fragen von schwerkranken Kindern zu sammeln.

Eine Million Euro für Hospize

Doch das war leichter gesagt als getan. "Wir sind da ziemlich blauäugig drangegangen", erzählt Stanberger rückblickend. "Wir haben gedacht, wir schicken ausformulierte Fragebögen an die Mitarbeiter und dann bekommen wir Antworten." Aber es kam keine einzige Rückmeldung. "Wir mussten viel um Vertrauen buhlen." Es sei schwer gewesen, einen Zugang zu den Hospizen zu bekommen. Und das obwohl das Ehepaar bald beschloss, dass sie an dem Verkauf des Buches nichts verdienen wollten. "Wir haben auch die gesellschaftliche Seite dabei kennengelernt." So würden bis zu 50 Prozent der Arbeit im Kinderhospizbereich nicht durch Spenden finanziert.
So sei die Idee entstanden, mit dem Erlös der verkauften Bücher die Hospize zu unterstützen, die bei der Sammlung von Fragen geholfen hatten. Eine Millionen Euro sollen zugunsten von Kinder- und Jugendhospizen mindestens zusammenkommen. Trotzdem lief das Projekt zäh an. "Die Leute haben gesagt, wir würden das gerne machen aber wir haben die Zeit nicht", erinnert sich Stanberger. Zwei Jahre dauerte es bis zum fertigen Buch "Die Grasbeißerbande. Das Sterben wieder ins Leben holen". Zwischendurch ging das Ehepaar selbst in die Hospize, sprach mit Kindern und deren Eltern. Die meisten der gesammelten Fragen stammten schließlich dennoch aus der Erinnerung der ehrenamtlichen Mitarbeiter und den sogenannten Humortagebüchern, die sie in der Arbeit mit den kranken Kindern einsetzen.

Amazon sperrte das Buch

Schwierigkeiten warteten auf die Autoren auch in der nächsten Phase. Über den Onlinehändler Amazon sollte das Buch zu kaufen sein. Doch nach einem Zeitungsartikel stieg die Nachfrage rasant an. Die hohe Nachfrage konnte Starnberger nicht schnell genug bedienen. Deshalb sperrte die Internetplattform das Buch. "Das war schon sehr nervig und Kräfte zehrend." Doch im Endeffekt habe es nicht geschadet. So seien Buchhandlungen auf die Publikation aufmerksam geworden.
Seit Januar ist das Buch erhältlich. Bislang sind rund 5.000 bis 6.000 Exemplare verkauft worden. Dass das Ziel von einer Millionen gesammelter Euro und 100.000 verkauften Büchern erreicht wird, glaubt Stanberger schon. "Wir haben uns ja keinen Zeitrahmen gesetzt." In fünf Jahren könnte das Geld zusammenkommen, schätzt er. "Der Tod ist auch kein Thema, das an Aktualität verliert." Genauso wenig wie das Thema der Finanzierbarkeit von Kinderhospizen.

Offener Umgang mit dem Tod

Mit dem Projekt will Starnberger dazu beitragen, ganz allgemein die Auseinandersetzung mit dem Sterben wieder ins Leben zu holen. "Wenn wir wieder viel offener mit unserem eigenen Tod und der eigenen Persönlichkeit umgehen, dann fallen uns viele Dinge leichter." Das Thema Tod werde immer noch zu sehr tabuisiert. Oft würden die Kinder in der Isolation sterben. "Das finde ich ganz schrecklich." Das Projekt solle deswegen auch "unterstützendes Sprachrohr" für die Hospizarbeit sein.
"Wir müssen lernen, dass es nicht immer nur schneller, weiter und noch mehr gibt", sagt Stanberger. Es gebe auch Zeiten im Leben, in denen sich die Spirale rückwärtsdrehe. Der Tod gehöre nun einmal zum Leben. "Und da muss er auch wieder hin." (KNA)
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Das Buch kann in der Evangelischen Bücherstube bestellt werden.
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