Was die Auswahl der Geistlichen über Trump verrät

Bei der Amtseinführung des US-Präsidenten gehört es dazu: Religionsvertreter beten. Donald Trump hat gleich sechs Geistliche eingeladen. Einige glauben, dass ein Vermögen ein Zeichen für Gottes Gunst ist.

Donald Trump
Donald TrumpGage Skidmore / Wikipedia

Washington. Die Auswahl der Betenden zur Amtseinführung reflektiere, wie der designierte Präsident Amerika sieht und wie er sich Amerika vorstellt, sagte der Historiker John Wilsey vom Southwestern Baptist Theological Seminary in Fort Worth in Texas. Bemerkenswert sei, dass unter den fünf Frauen und einem Mann, die am Freitag an der Westseite des Capitols in Washington bei der Einführung von Donald Trump ein Gebet oder einen Segen sprachen, niemand vom sogenannten Mainstream-Protestantismus dabei sei, sagte Wilsey.
Dafür beteten erstmals Vertreter des "Wohlstandsevangeliums", dem zufolge Vermögen und Erfolg im Diesseits Zeichen für Gottes Gunst sind. Dazu gehören zwei Fans von Donald Trump: Bischof Wayne Jackson von der unabhängigen Great Faith Ministries International-Kirche in Detroit und die Fernsehpredigerin Paula White. Trumps Vermögen zeige, das Gott ihn gesegnet habe, sagte Jackson einmal im Rundfunksender NPR.

Lutheraner kommen später zu Wort

Für den neuen Präsidenten beteten zudem: Baptistenprediger Franklin Graham, Sohn des Predigers Billy Graham, der römisch-katholische Kardinal Timothy Dolan, der Präsident des evangelikalen "Nationalen Hispanischen Führungsverbandes", Pastor Samuel Rodriguez, und Rabbi Marvin Hier, der das Simon Wiesenthal Zentrum in Los Angeles gegründet hat. Der Mainstream-Protestantismus, zu dem Lutheraner, Methodisten und Presbyterianer zählen, kommt diesmal erst einen Tag später zum Zug: in einem ökumenischer Gottesdienst, an dem auch der neue Präsident teilnahm.
In weiten Kreisen des Protestantismus wird das "Wohlstandsevangelium" kritisiert wegen des Materialismus und des opulenten Lebensstils mancher Prediger. Der Theologe Michael Horton schrieb in der "Washington Post" mit Blick auf die Fernsehpredigerin White, der Glaube, "Gott verteile materiellen Wohlstand und Gesundheit" aufgrund der Glaubensstärke habe mit dem Christentum nichts zu tun. Doch zu Donald Trump passe die Theologie, sagt Historiker Wilsey. Der Milliardär bekenne sich zum Christentum, "stellt Reichtum zur Schau und verspricht, er werde Amerika wieder groß machen".

Mehrere Dutzend Prediger segneten Trump

Paula White brachte im Herbst 2015 mehrere Dutzend Prediger zu Trump, um den Kandidaten zu segnen, und im Juni 2016 beinahe 1.000 Geistliche. Im Informationsdienst "Christian Post" sagte sie, sie habe mit Trump "zahlreiche Gespräche über die Bibel" geführt. Dieser habe sie vor 15 Jahren im Fernsehen gesehen und Kontakt aufgenommen. Trump sei ein fähiger Unternehmer, einfühlsam und intelligent und werde für eine gute Zukunft kämpfen.
Aufgewachsen ist Donald Trump mit der presbyterianischen Kirche, in der er auch konfirmiert wurde. Mehrmals hat er lobend über den Selbsthilfeautor und Pfarrer Norman Vincent Peale mit dessen Lehre von der "Kraft des positiven Denkens" gesprochen. Trumps Eltern waren Mitglieder von Peales Gemeinde.
In der jüdischen Community umstritten ist die Teilnahme von Rabbi Hier. Trumps "Hass, Vorurteile und Beleidigungen" verletzten jüdische Werte, schrieb der Politikwissenschaftler Peter Dreier im jüdischen Magazin "Forward". Rabbi Hier, der mit den Eltern von Trumps Schwiegersohn und Berater Jared Kushner befreundet sein soll, erklärte dagegen im Informationsdienst "Jewish Telegraphic Agency", er sei stolz auf seine Teilnahme.

Auch Rabbiner beteten schon

Die Tradition, dass neue Präsidenten Prediger zur Amtseinführung auswählen, existiert seit den 1930er Jahren. Das Religiöse bei der Amtseinführung soll die Nation vereinen.
Bisher haben die neuen Präsidenten meist zwei oder drei Vertreter des Mainstream-Protestantismus und einen Katholiken genommen, manchmal einen Rabbiner. Den Rekord hält der heute 98-jährige Baptistenprediger Billy Graham: Er trat auf bei Richard Nixon (1969), George W. Bush (1989) und zweimal bei Bill Clinton (1993 und 1997). Bei Barack Obamas Amtseinführung 2013 betete erstmals eine Frau, die Bürgerrechtlerin Myrlie Evers-Williams. (epd)
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