Sie haben ihre Träume fotografiert

Im Braunschweiger Dom ist die Ausstellung „wohnungslos – Leben in Braunschweig“ zu sehen. Wohnungslose haben einen Fotoapparat in die Hand genommen und ihre Lebenswelt abgelichtet. Ein Ausstellung mit Grautönen und Hoffnungen.

Die Macher der Ausstelluung (v.l.): Fotograf Klaus G. Kohn, Rüdiger Meißner, Angelina Weißfuß, Maik Gildner, der Geschäftsführer der Diakonischen Gesellschaft, und Nils Brückner
Die Macher der Ausstelluung (v.l.): Fotograf Klaus G. Kohn, Rüdiger Meißner, Angelina Weißfuß, Maik Gildner, der Geschäftsführer der Diakonischen Gesellschaft, und Nils BrücknerRalf-Thomas Lindner

Braunschweig. Otto Karlheinz lässt sich mit der Dampflokomotive fotografieren, die vor dem Braunschweiger Bahnhof steht. Auf ihr durfte er als Kind mit seinem Vater einmal mitfahren. Und Rudi lichtet ein Pissoir in einer öffentlichen Toilette ab – für viele ist es ein alltäglicher Ort, für Rudi der Ort, an dem er sich waschen und stadtfein machen kann. Angelina gewährt einen Blick in ihr kleines, einfach eingerichtetes Zimmer. Das sind einige Bilder der Foto-Ausstellung „wohnungslos – Leben in Braunschweig“, die jetzt im Braunschweiger Dom zu sehen ist. 
Sechs einzelne und eine Gruppe Wohnungsloser erhielten je einen Fotoapparat und die Aufgabe, ihr Leben und ihr Lebensumfeld zu fotografieren. Den Anstoß dazu gab die Diakonische Gesellschaft Wohnen und Beraten. Entstanden sind etwa 2000 Bilder, 126 sind in die Ausstellung übernommen worden. Bei der Auswahl hat der Fotograf Klaus G. Kohn geholfen. Es zählte nicht die technische oder künstlerische Qualität, sondern die Aussage. So dokumentiert die Ausstellung nun die ­Lebensumstände von Wohnungslosen, aber auch ihre Erinnerungen und Träume.

Fotografen mit Mut

Wohnungslos kann man schnell werden, fast jeden kann es treffen. Streit mit dem Partner, Alkohol, Entlassung. Für ein paar Wochen kann man die Miete aufbringen, dann steht der Auszug an. Einige bleiben auf der Straße, andere kommen in wechselnden Einrichtungen unter.
Zur Eröffnung der Ausstellung war der Dom gut gefüllt. Dompredigerin Cornelia Götz betonte, dass Maria und Josef selbst auf der Suche nach Unterkunft gewesen seien. Wohnungslosigkeit sei ein wichtiges Thema für den christlichen Glauben. „Die gute Nachricht kommt besonders zu denen, die in schwierigen Verhältnissen ­leben“, sagte die Dompredigerin. Sie dankte den Fotografen für ihren Mut, sich noch ein Stückchen mehr in die Öffentlichkeit zu stellen, als sie es ohnehin schön täten. Es sei eine „schöne und anrührende Ausstellung“ entstanden.

Unterschiedliche Lebenswelten

Niedersachsens Sozialministerin Carola Reimann betonte: „Wohnen gehört zu den existenziellen Grundbedürfnissen in unserer Gesellschaft.“ Als Braunschweigerin mache sie diese Ausstellung besonders betroffen. Denn auf den Bildern könne sie erkennen, „dass wir in derselben Stadt leben“ und die Lebenswelten doch ganz unterschiedlich seien. In Braunschweig leben etwa 450 Wohnungslose. Das Heim am Jödebrunnen in Zusammenarbeit mit der Diakonie mache nun erstmals  die „Aufnahme von Frauen möglich“, sagte Sozialministerin Reimann. 
Die Wohnungslosen haben mit dieser Ausstellung etwas zurückgewonnen: das Gefühl, trotz ihrer Wohnungslosigkeit noch Menschen zu sein, die wahrgenommen werden, die geschätzt werden, die produktiv und vor allem kreativ sein können. Nils, der seit acht Jahren auf der Straße lebt, fasst das Projekt deswegen mit einer Frage zusammen: „Was machen wir als Nächstes?"
Info
Die Ausstellung „wohnungslos“ ist bis Donnerstag, 28. Februar, täglich von 10-13 Uhr und 15-17 Uhr zu sehen.