SH: Beratungsstellen verzeichnen mehr Betroffene von Gewalttaten

Beratungsstellen in Schleswig-Holstein haben 2023 mehr Opfer von kriminellen Angriffen registriert als im Jahr zuvor. Der Weisse Ring zählte 1.618 Fälle und damit 32 mehr als 2022. Das Zentrum für Betroffene rechter Angriffe (Zebra) erfasste mit 136 Fällen ebenfalls 32 mehr als im Vorjahr. 20 Prozent der Betroffenen bei Zebra waren erneut Jugendliche. „Es ist besorgniserregend, dass rassistische, antisemitische und rechte Gewalttäter selbst vor Minderjährigen nicht haltmachen“, sagte Felix Fischer von Zebra am Donnerstag bei der Vorstellung der beiden Berichte in Kiel.

70 Prozent der von Zebra registrierten Taten waren rassistisch motiviert. „Das ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu den vergangenen Jahren“, erklärte Fischer. Von den insgesamt 187 Ratsuchenden waren 129 Menschen betroffen, darunter 33 Kinder und Jugendliche.

Gewalttaten aus antisemitischen Motiven und gegen die queere Szene nahmen ebenfalls leicht zu. Die meisten Antisemitismus-Vorfälle, vor allem Sachbeschädigungen und Drohungen, ereigneten sich 2023 nach dem 7. Oktober, als Israel von der Terrororganisation „Hamas“ angegriffen worden war.

Rechte, rassistische und antisemitische Gewalt tritt nach Angaben von Zebra in ganz Schleswig-Holstein auf. Die meisten Angriffe registrierte die Beratungsstelle jedoch in den Städten Kiel, Flensburg und Lübeck. Im Kreis Pinneberg bildete zudem Elmshorn einen Schwerpunkt.

An den Weissen Ring wendeten sich mit 72 Prozent weiterhin zum Großteil Frauen. Mit 215 Fällen war häusliche Gewalt ein Schwerpunkt in den 60 Beratungsstellen des Verbandes. „Seit der Coronapandemie ist die Zahl häuslicher Gewalt deutlich gestiegen und bleibt auf einem hohen Niveau“, sagte die Landesvorsitzende des Weissen Rings, Manuela Söller-Winkler.

Unerträglich sei, dass die betroffenen Frauen häufig in berechtigter Angst vor einer weiteren Eskalation der Gewalt leben müssen, weil der Staat sie nur unzureichend vor dem Täter schütze, erklärte Söller-Winkler. Bislang müssten sich die Frauen vor dem Täter verstecken, weil Anordnungsverbote der Justiz von den Männern missachtet werden. „Frauen sterben durch Männer, die sich ihnen nicht hätten nähern dürfen. Das ist inakzeptabel“, sagte Söller-Winkler.

Deshalb fordert der Weisse Ring die Einführung der elektronischen Fußfessel für Täter und Opfer. In Spanien werde die Fußfessel bereits seit 2009 erfolgreich eingesetzt. Das System schlage Alarm, sobald sich der Täter der Frau unter 500 Meter nähert. In Deutschland werde die Fußfessel nur in sechs Bundesländern eingesetzt, Schleswig-Holstein gehöre nicht dazu. „Wir hoffen, dass dafür bald die landes- und bundesrechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden“, erklärte Söller-Winkler.