Russischer Ex-Bischof: Kirchen sollten nicht nur auf Zahlen schauen

Rückläufige Zahlen können für die Kirchen nach Überzeugung des früheren evangelischen russischen Erzbischofs Dietrich Brauer auch eine Chance sein. Denn diese Entwicklung sei eine Aufforderung an die Kirche, selbstkritisch mit sich umzugehen und neue Perspektiven zu entwickeln, sagte Brauer in einem epd-Gespräch. Der Theologe stand bis 2022 an der Spitze der lutherischen Kirchen in Russland und arbeitet jetzt als Gemeindepfarrer in Ulm.

Stabile Zahlen könnten hingegen eine starke Versuchung für die Kirche sein, weil sie „satt machen und einlullen“. Deshalb sollten sich die Kirchen nicht in erster Linie auf Zahlen fixieren. Selbst in lutherischen Gemeinden in der Ukraine, die nur 25 oder 30 aktive Mitglieder haben, sei ein vielfältiges kirchliches Leben möglich, sagte der Theologe, zu dessen Bereich auch die Deutsche Evangelisch-Lutherische Kirche in der Ukraine (DELKU) gehörte.

Im Vergleich zu den östlichen Diasporakirchen oder laizistisch ausgerichteten Staaten sei die Situation der Kirchen in Deutschland „geradezu ein Traum“, sagte Brauer. Denn die Kirchen seien immer noch ein wichtiger gesellschaftlicher Akteur, dessen Positionen vor allem bei ethischen Fragen relevant seien. Die Kirchen hätten immer noch ein umfassendes Bildungsangebot und weiterhin eine bedeutende soziale Funktion. (0891/28.04.2024)