Protestanten feiern im Zeichen der Freiheit

Mit Gottesdiensten und zahlreichen Events haben evangelische Christen am Reformationstag an die tiefgreifenden Auswirkungen von Luthers Thesenanschlag erinnert – sowohl im Norden als auch in der Lutherstadt Wittenberg. Die Feiern im Überblick.

Festgottesdienst in der Schlosskirche Wittenberg
Festgottesdienst in der Schlosskirche WittenbergJens Schlüter / epd

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, nannte in seiner Predigt in der Wittenberger Schlosskirche den Reformationstag einen "Tag der Freiheit". Freiheit sei auch das Grundgefühl, "das unser verunsichertes Land so dringend braucht", sagte er. Am größten gefeiert wurde in diesem Jahr wieder in der Lutherstadt Wittenberg. Dorthin kamen nach Angaben der Veranstalter bis zu 30.000 Besucher. Mehrere Festgottesdienste in der Schlosskirche und in der Stadtkirche zählten zu den Höhepunkten des Feiertages. 
• In Greifswald hat Nordkirchen-Landesbischof Gerhard Ulrich dazu aufgerufen, eine "gnädige Gesellschaft" zu schaffen. "Wir könnten versuchen, unsere Urteile über die Welt und den Nächsten nicht zuerst aus dem zu gewinnen, was ihm oder ihr alles fehlt", sagte Ulrich vor rund 170 Gästen auf dem Reformationsempfang der Nordkirche. Vielmehr sollten die Menschen "zuerst staunen über die Fülle, aus der wir leben" und die sich in jedem Menschen spiegele. Als Beispiel für die "herrschenden Gnadenlosigkeit" führte der Landesbischof den zunehmenden Rückgang des Respekts vor anderen an. Zuvor hatte der Greifswalder Bischof Hans-Jürgen Abromeit in seiner geistlichen Besinnung im Greifswalder Dom daran erinnert, dass die Freiheit, zu der Jesus Christus die Menschen berufen habe, nicht bedeute, "dass ich machen kann, was ich will".
• In der Hamburger Hauptkirche St. Nikolai hat Kultursenator Carsten Brosda (SPD) dazu aufgerufen, den Dialog in der Stadtgesellschaft zu vertiefen. Angesichts der Verunsicherung durch Globalisierung, Flüchtlinge und dem Verlust demokratischer Werte in vielen Ländern braucht Hamburg nach den Worten Brosdas öffentliche Orte der Begegnung und Verständigung. Dazu zählten neben den zahlreichen Kultureinrichtungen auch Kirchen, Moscheen und Synagogen. Solche Orte entstünden heute nicht mehr spontan, sondern bedürften des Schutzes und gezielter Unterstützung.
• Der arbeitsfreie "Tag der Reformation" bietet nach den Worten der Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs den Raum, um das Verbindende der Religionen auch öffentlich zu zeigen. Sie sei überzeugt, dass der Glauben eine verbindende Kraft sein könne, die dem Frieden der Stadt dient. Religionsfreiheit sei ein hohes Gut. Doch um sie zu bewahren, müsse auch über Religionen und den eigenen Glauben gesprochen werden.
• In Niedersachsen haben die Bischöfe und leitenden Theologen die Religions- und Meinungsfreiheit in den Mittelpunkt ihrer Predigten gestellt. Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister sagte in seiner Predigt in der Marktkirche, die "Rücksichtnahme auf die Freiheit anderer ist gerade keine Einschränkung meiner Freiheit, sondern ein Ausdruck meiner Freiheit". Dies sei vielleicht die schwierigste und entscheidende Botschaft des Reformationstages: "Wir sind frei, dem Zorn zu gehorchen oder die Versöhnung zu suchen! Wir sind frei, uns nur um uns selbst zu kümmern oder das Wohl der Gemeinschaft in den Blick zu nehmen", sagte der Theologe.
• In Kiel kamen zahlreiche Gäste aus Politik, Kirche und Gesellschaft zu einem Reformationsabend der Nordkirche zum Thema Freiheit ins Rathaus. Die Reformation habe seinerzeit das Gespräch über "Gott und die Welt" befördert, sagte der Schleswiger Bischof Gothart Magaard. "Und das brauchen wir auch in unserer Zeit." Man könne ererbte Freiheit nicht nur verwalten. "Sie will bewahrt, errungen, ja erstritten und verteidigt werden." Der Glaube ermutige dazu. (epd)