Nicht nur aus der Entfernung für die Menschen in der Ukraine beten

Die nach Deutschland geflüchteten Ukrainer leben nach Beobachtung des früheren evangelischen Erzbischofs in Russland, Dietrich Brauer, in einer Übergangssituation. Denn die meisten von ihnen wollten wieder nach Hause, wobei ihre „Heimatverbundenheit“ eine große Rolle spiele, sagte Brauer in einem epd-Gespräch. Allerdings seien die geflüchteten Ukrainer sehr bemüht, hier zurechtzukommen, Deutsch zu lernen, Arbeit zu finden und ihre Kinder in Kitas und Schulen zu schicken.

Die Sorge um Angehörige in der Ukraine, vor allem wenn die Männer an der Front sind, sei sehr belastend. „Sie telefonieren täglich und sind gleich äußerst besorgt, wenn einmal die Verbindung nicht klappt“, sagte der evangelische Theologe, der bis 2022 an der Spitze der lutherischen Kirchen Russlands einschließlich der Ukraine stand und im März 2022 wegen Bedrohungen und Repressalien mit seiner Familie nach Deutschland geflohen ist. Brauer arbeitet zurzeit als Pfarrer in einer Ulmer Stadtteilgemeinde.

Neben konkreten Hilfen etwa bei Behördengängen sei für die Flüchtlinge vor allem persönliche Zuwendung wichtig, sagte Brauer. Wenn die Ukrainer beispielsweise zu gemeinsamen Aktivitäten wie Theaterbesuchen oder Gottesdiensten eingeladen würden, verhindere das die Isolation und es bildeten sich keine abgeschotteten Blasen.

Nach ihren Erfahrungen mit Krieg und Gewalt haben die Flüchtlinge laut Brauer vor allem ein „Bedürfnis nach Heilung in einem urbiblischen Sinne“. Dabei seien gerade die biblischen Bilder und Symbole wichtig. Dieses Bedürfnis werde auch immer wieder bei ökumenischen Friedensandachten für Ukrainer aller Glaubensrichtungen im Ulmer Münster spürbar.

Für die Menschen in der Ukraine seien Besuche von kirchlichen Delegationen von großer Bedeutung, sagte Brauer. Denn das sei für die Menschen dort ein ganz wichtiges Zeichen, dass „sie in ihrer bedrückenden Situation nicht allein sind, dass man nicht nur aus der sicheren Entfernung betet, sondern mit eigenen Augen sieht, wie die Menschen leiden“. (0892/28.04.2024)