Mit Gott im Netz

Singen ohne Gemeinde, ein Roboter für den Segen und eine Predigt, die Nutzer übers Internet mitbestimmen: Ein Digital-Gottesdienst in Hamburg wagt Neues – erntet aber auch Kritik.

Der Segensroboter "BlessU-2" in der Hauptkirche St. Nikolai
Der Segensroboter "BlessU-2" in der Hauptkirche St. NikolaiPhilipp Reiss / epd

Hamburg. Pastoren mit Tablets in der Hand, ein rotblinkender Segensroboter neben der Kanzel und ein digitales Whiteboard im Altarraum für die Netzgemeinde. Mit Hamburgs erstem digitalem Gottesdienst hat sich die Hauptkirche St. Nikolai auf ein Experiment eingelassen. Die Kirche müsse menschlich bleiben, sollte sich aber dem technischen Fortschritt nicht verschließen, sagt Pastorin Corinna Senf. 
Der Beginn des Gottesdienst ist noch traditionell analog: Die Gesangbücher sind vergriffen, und der Nikolai-Chor singt die Noten vom Blatt. Rund 400 Menschen sind zum Gottesdienst gekommen. Schätzungsweise die gleiche Anzahl verfolgt ihn live per Smartphone oder Tablet. Die Grüße der Netzgemeinde kommen aus Paris, Belfast, Granada und von der Ostsee-Fähre "Nils Holgersson", aber auch von Hamburgern, die krank sind oder lieber auf dem heimischen Sofa sitzen wollen. 

Fürbitten von der Netzgemeinde

Motto ist das Paulus-Wort "Prüfet alles, das Gute behaltet". Statt einer traditionellen Predigt nimmt das Pastorenteam die Postings der Netzgemeinde zum Anlass für kurze Betrachtungen. Die Digitalisierung ermöglicht nach den Worten von Hauptpastor Martin Vetter neue Formen der Beteiligung. Dennoch fehle dem christlichen Glauben ohne "reale Gemeinde" etwas Entscheidendes. 
Wenn Gott überall ist, dann könne man ihm auch im Netz begegnen, sinniert Pastorin Senf. "Aber ist Gott dann auch in den Funklöchern?", fragt die Netzgemeinde. Die digitale Technik werde im Alltag weiter an Bedeutung gewinnen, prognostiziert Hauptpastor Vetter. Der Mensch dürfe sich aber davon nicht völlig abhängig machen. Es bleibe die Frage, welche Orientierung der christliche Glaube in dieser Frage bietet, ergänzt Pastorin Maren Schack.
Die Fürbitten werden von der Netzgemeinde vorgeschlagen: Gebetet wird für die Erlösung der todkranken Oma, für demente Menschen, die Opfer des Anschlags auf die Synagoge in Pittburgh, für neue Wege in der Kirche und ein gutes Examen. Zwischendurch postet noch jemand, dass er die Pastorin liebt. Hassmails gibt es nicht, das Redaktionsteam hat aber einige wenige Mails aussortiert, die sich im Ton vergriffen haben. Allerdings bleibt die Gemeinde nicht von den Tücken der Technik verschont: Das WLAN funktioniert nicht.  

Proteste gegen Segensroboter

Umstritten ist jedoch der Segensroboter "BlessU-2", ein umgebauter Bankautomat. Eine kleine Protestgruppe hat vor dem Gottesdienst mit Pappschildern analog ihren Unmut darüber deutlich gemacht. Die Diskussion im Vorfeld habe gezeigt, dass die Maschine vor allem traditionelle Kirchgänger befremdet, so Pastorin Senf. Bei anderen könne sie vielleicht Neugierde wecken. Dabei biete die Nordkirche bereits jetzt schon täglich digitalen Segen im Netz.
Die Pastorin selbst lässt sich vom Roboter segnen. Erst wählt sie die passende Sprache und dann das Thema. Zwei metallene Arme mit weißen Leuchten erheben sich, ein Segensspruch ertönt. Dann senken sich die Hände wieder, ohne das traditionelle Kreuz zu schlagen. Anschließend fragt der Roboter, ob der Segen ausgedruckt werden solle. Die Gemeinde begleitet es mit gelöster Heiterkeit.
Zum Ende des Gottesdienstes wird es dann wieder ganz analog. Mit ihren eigenen Händen und selbst gesprochen spendet Pastorin Schack der Gemeinde den Segen. In den Kollektenbeuteln landet nur Bargeld. Kartenzahlung, so heißt es, sei noch nicht möglich. (epd)