In Kitas sind Erzieher die Ausnahme – noch

Im Kindergarten sind Erziehung und Betreuung lange Zeit eine Frauendomäne gewesen. Aber das ändert sich langsam. Und die Kinder profitieren davon, sagen Experten.

Männer als Erzieher sind in Kitas noch eine Seltenheit
Männer als Erzieher sind in Kitas noch eine SeltenheitImago / Westend61

Eigentlich wollte Maximilian Gockeler immer einen Beruf ergreifen, der ihm Geld und Status garantiert. Also studierte der 31-Jährige zunächst Ingenieurswesen und arbeitete auch in dem Bereich: „Man überlegt ja schon, welcher Beruf gesellschaftlich angesehen ist und was man verdient.“

Rasch habe er aber gemerkt, dass ihn das nicht glücklich machte. „Ich wollte etwas tun, wovon auch die Gesellschaft profitiert.“ Und was wäre da besser geeignet, als Kinder in ihren ersten Lebensjahren zu begleiten, dachte er sich. So ließ er sich zum staatlich anerkannten Erzieher ausbilden und arbeitet heute in der Ökumenischen Kindertagesstätte Killesberg in Stuttgart.

Kitas: Anteil der Männer steigt

Maximilian Gockeler ist ein Exot. 2023 waren laut Statista deutschlandweit 61.458 männliche Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen tätig; das entsprach einem Anteil von 8,2 Prozent. Seit 2009 hat sich ihre Zahl damit zwar mehr als verdreifacht, nichtsdestotrotz ist die Anzahl der weiblichen Fachkräfte nach wie vor um ein Vielfaches höher: 2023 arbeiteten knapp 692.000 Frauen im Bereich der Kinderbetreuung.

Die Erziehung von Kindern war seit jeher Frauendomäne – wenngleich der Begründer des weltweit ersten Kindergartens ein Mann war: der Pädagoge Friedrich Fröbel. 1840 gründete er im thüringischen Bad Blankenburg den „Allgemeinen Deutschen Kindergarten“. Er stand Kindern aus allen sozialen Schichten offen. „Treffpunkt war morgens 8 Uhr am Brunnen unten in der Stadt“, erzählt Margitta Rockstein, langjährige Leiterin des in dem Gebäude beheimateten Museums. „Bei wem es nötig war, der konnte sich noch waschen. Anschließend ging es gemeinsam in den Kindergarten.“

50 bis 80 Kinder kamen damals täglich. Fröbel spielte und sang mit ihnen. Kinderlieder wie „Häschen in der Grube“ gehen auf ihn zurück. Der Pädagoge hatte als erster die Bedeutung des frühkindlichen Spiels für die Entwicklung des Menschen erkannt. Spielen war für ihn die Vorbereitung auf das wirkliche Leben. Sein Ansatz: Er wollte den Kindern keine Erkenntnisse eintrichtern, sondern herausholen, was an guten Anlagen bereits in ihnen schlummerte.

Kindergärten zeitweise verboten

In den darauffolgenden Jahren widmete sich der Pädagoge vor allem der Ausbildung von Kindergärtnerinnen. 1851 verbot das preußische Kultusministerium die Kindergärten vorübergehend. Sie galten ihm als „atheistisch und demagogisch“, weil sie „frei denkende“ Menschen erzogen. Erst 1860, acht Jahre nach Fröbels Tod, konnten sie ihren Betrieb wieder aufnehmen.

Der Siegeszug der Kindergärten war durch das zeitweilige Verbot nicht aufzuhalten. Viele der von Fröbel ausgebildeten Kindergärtnerinnen waren ins Ausland gegangen und führten sein Werk dort fort. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden in den USA die ersten Kindergärten. Heute gibt es in fast jedem Land der Welt Einrichtungen, in denen Kinder im Vorschulalter betreut werden, in den meisten heißen sie auch „Kindergarten“.

Kita – ein „Paradies“ für Kinder

Umso mehr ärgert es Margitta Rockstein, dass ausgerechnet an der Wiege des Kindergartens fast nur noch von „Kindertagesstätten“ gesprochen wird. Die Bezeichnung „Kindergarten“ sei für Fröbel nämlich Programm gewesen. „Garten = Paradies“, schrieb er einst, „also Kindergarten = das den Kindern wieder zurückzugebende Paradies“.

Maximilian Gockeler aus Stuttgart empfindet es als Privileg, Kinder in ihren ersten Lebensjahren begleiten und prägen zu dürfen. Und die Kindergartenkinder profitieren umgekehrt davon, dass sie zunehmend auch von Männern betreut werden. So ergab die Studie „Männliche Fachkräfte in Kindertagesstätten“ im Auftrag des Bundesfamilienministeriums, dass männliche Erzieher gerade für Jungs wichtige Rollenvorbilder sind. An ihnen könnten sie sich reiben und dadurch reifen. Männer brächten zudem andere Interessen mit als ihre Kolleginnen. Und schließlich lebten gemischte Kindergarten-Teams den Kindern vor, wie Männer und Frauen miteinander umgehen.