Kirche und Flüchtlinge: Hilfe ist Pflicht, keine Kür

Die Politik beschließt schnellere Abschiebungen und Leistungskürzungen für Asylbewerber. Ein Teil der Gesellschaft begrüßt das. Und die Kirche? Die darf nicht einknicken und muss Flüchtlingen helfen.

Eine geflüchtete Frau mit ihrem Kind wartet auf Hilfe
Eine geflüchtete Frau mit ihrem Kind wartet auf HilfeImago / SNA

„Hier stehe ich und kann nicht anders!“ An diese berühmten Worte Martin Luthers mag man sich erinnert fühlen, wenn man sieht, welche Rolle die evangelische Kirche in der Debatte über die Flüchtlingspolitik einnimmt. Soeben haben Bund und Länder eine neue Marschroute festgelegt – Kurzform: weniger Geld, schneller abschieben. 86 Prozent der Bevölkerung stimmen laut einer Umfrage des Spiegel dieser Linie zu. Aber die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und ihre Spitzenrepräsentantinnen und -repräsentanten halten dagegen.

Sie werden nicht müde zu betonen: Menschen aufzunehmen, die aus einer Notlage fliehen, ist heilige Christenpflicht, ohne Wenn und Aber – ein noch immer reiches Land wie Deutschland darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Angesichts der sich verändernden politischen und gesellschaftlichen Großwetterlage ist das bemerkenswert. Man kann nur hoffen, dass die Kirche ihren Mut nicht verliert.

Zurückhaltung gegenüber der Hilfe für Flüchtlinge

Denn die Kirche steht in dieser Angelegenheit mittlerweile da wie die einsame Mahnerin in der Wüste. Längst haben sich in der Gesellschaft Zurückhaltung und Skepsis gegenüber der Hilfe für Flüchtlinge breit gemacht, quer durch alle politischen Strömungen. So stimmen laut der oben genannten Umfrage auch mehr als die Hälfte der Sympathisanten von Grüne (59 Prozent) und Linke (54 Prozent) dem neuen Kurs der Regierung zu. Und auch von Kirchenmitgliedern ist die Frage zu hören: Kann ich nicht auch als Christin oder Christ für einen strikteren Kurs in der Flüchtlingsdebatte sein?

 

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Dem stehen klar Äußerungen der Kirchenspitze entgegen. Die Ratsvorsitzende der EKD, Annette Kurschus hat es gesagt. Die Präses der EKD-Synode, Anna-Nicole Heinrich. Und auch der EKD-Beauftragte für Flüchtlingsfragen, Christian Stäblein: Hilfe für Menschen in Not ist keine Kür, die man je nach Gemüts- oder Kassenlage machen, einschränken oder sein lassen kann. Sondern eine Pflicht. Solange man in der Lage ist zu helfen, muss man es tun.

Kirche muss Stimme erheben für jene, die keine haben

Die Zeiten, in denen die Kirche als weitgehend unangefochtene moralische Autorität galt, sind vorbei. Trotzdem: Noch immer hat ihr Wort Gewicht. Die Menschen mögen sich daran reiben – sollen sie auch. Aber wenn nicht die Kirche ihre Stimme erhebt für jene, die keine Stimme haben – wer soll es dann noch tun?

„Hier stehe ich und kann nicht anders, Gott helfe mir. Amen.“ Dass Martin Luther das damals, 1521 auf dem Reichstag zu Worms, wörtlich so gesagt hat, ist laut Geschichtswissenschaft zweifelhaft. Unzweifelhaft ist aber die Haltung dahinter: Wenn dir dein Gewissen sagt, du musst den Mund auftun – dann tue es. Und lass dich nicht davon abschrecken, was die anderen sagen oder tun.