Folgen der digitalen Welt: Sind unsere Handys Klimakiller?

Smartphones sind allgegenwärtig. Kommunikation, Shopping, Unterhaltung, Foto, Banking, Dating – wir leben mit und über die Apps. Nur: Um welchen Preis für Klima und Umwelt?

Smartphones nachhaltig produzieren- geht das? Fairphone verspricht das
Smartphones nachhaltig produzieren- geht das? Fairphone verspricht dasImago / IPON

Welche Kosten für Klima und Natur verursachen die digitalen Online-Dienste? Und wie können wir sie im Sinne der Nachhaltigkeit künftig besser gestalten und nutzen? Fragen, die selten gestellt werden, aber von wachsender (Öko-)Brisanz sind. Der Nachhaltigkeits-Wissenschaftler Rüdiger Quay forscht in Freiburg an der Universität und am Fraunhofer Institut mit seinen Kollegen genau dazu. Und hat konkrete Empfehlungen für alle Userinnen und User.

Wie klima- und umweltschädlich sind Smartphones?

Wichtig sind zwei Faktoren: Herstellung und Nutzung. Für die Handy-Produktion werden enorm viele Ressourcen und Energie benötig. Aus Sand muss Silizium für die Computerchips werden, aus Minen werden Seltene Erden und etwa 1,5 Gramm Gold pro Handy gefördert. Inzwischen hat rechnerisch jeder der acht Milliarden Weltbewohner mehr als ein Handy. Die Herstellung ist deshalb problematisch, weil pro Handy ein Mehrfaches an dem so genannten Dunklen Müll erzeugt wird, um diese Geräte herzustellen.

In der Gesamtenergiebilanz gewichtiger ist der Verbrauch bei der Nutzung. „Hinter jeder App und jedem digitalen Dienst steht eine große Rechnerinfrastruktur, die sich die meisten Nutzer selten bewusst machen“, sagt Rüdiger Quay. Die Rechenzentren von Google, Amazon, Meta und Microsoft verbrauchen enorme Strommengen und müssen energieintensiv gekühlt werden. Selbst aus dem All sind die Server-Farmen mit Wärmebildkameras zu erkennen.

Aber das ist doch alles kein Problem, weil unser Strom durch die Erneuerbaren immer grüner wird?

Langfristig könnte diese Rechnung bestenfalls aufgehen. Aber die Realität sieht anders aus. Denn aktuell betreiben die Digitalkonzerne die meisten ihrer Serverfarmen in Weltregionen, in denen der Strom eben nicht nachhaltig produziert wird . Die neuen Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz werden durch ihren Rechnerleistungshunger dieses Problem noch vergrößern. „Die Konzerne verlagern ihre Datenzentren in Weltregionen mit wenig Auflagen, in denen der Strom zwar billig, aber potenziell mit hohem CO2-Ausstoß verbunden ist und der Datenschutz schwach ist“, sagt Quay.

Wieso lassen sich durch neue Techniken nicht energieeffizientere Computer, Endgeräte und Netzinfrastruktur bauen?

Ingenieure und Wissenschaftler arbeiten weltweit an effizienter Technik. Hier gibt es große Fortschritte. Beispielsweise ist beim neuen Mobilfunkstandard 5G pro Bit viel weniger Energie nötig, um Daten zu senden als bisher. Das Problem: Der Datenverkehr insgesamt nimmt schneller zu, als der Energieverbrauch durch Effizienzeffekte eingedämmt werden könnte. Aktuell treibt vor allem der Datenaustausch zwischen Geräten und Maschinen den Anstieg an: In modernen Fabriken ist alles mit allem vernetzt, genauso wie im Smarthome das Garagentor, der Kühlschrank, das Heizkörperthermostat und der Fernseher. „Seit 40 Jahren wächst der Datenverbrauch exponentiell, das Wachstum beschleunigt sich immer weiter. Und eine Umkehr dieser Entwicklung ist nicht in Sicht“, sagt Quay.

Wie könnte ein Gegensteuern gelingen?

Nachhaltigkeitsforscher wie Quay sprechen sich dafür aus, aktuell für selbstverständlich gehaltene Grundannahmen der digitalen Wirtschaft kritisch zu hinterfragen. „Wir verbrauchen viel unserer Energie unbewusst: Ein großes Energie-Einsparpotenzial liegt darin, digitale Dienste künftig nicht mehr rund um die Uhr an jedem Ort dieser Welt verfügbar halten zu wollen. Denn diese grundsätzliche ständige Verfügbarkeit – unabhängig von der tatsächlichen Nutzung – frisst unglaublich viel Energie.“ Konkret heißt das beispielsweise: Warum muss die Online-Banking-App rund um die Uhr funktionieren? Wir müssen mehr regeln, beispielsweise durch Absenken der Sendeleistung der Mobilfunkanbieter in der Nacht.

Was ist mit den ständigen Updates unserer Computer und Handys?

Große Daten- und damit Energiemengen werden für das gestiegene Sicherheitsbedürfnis in der digitalen Welt aufgewendet. Dazu zählen geplante Updates der Betriebssysteme oder der Aufbau widerstandsfähiger Netze, um Ausfälle zu vermeiden. „Auch hier sollten wir den Faktor Nachhaltigkeit umfassender mitdenken und einbauen. Mir erschließt sich nicht, warum Windows wöchentlich mit enormen Datenmengen upgedatet werden muss. Software muss aus Nachhaltigkeitsgründen besser werden“, sagt Rüdiger Quay.

Was kann der Endverbraucher beitragen?

Einfach mal wirklich abschalten. Smartphone, Router und Smartgeräte nachts ausschalten. „Wenn die Anbieter merken, dass die Verbraucher die Services nachts nicht nutzen, müssen sie weniger Rechenleistung vorhalten. Das wäre ein großer Energiespareffekt, der über das konkrete Stromsparen im Privathaushalt hinausgeht.“ Apps, die man selten oder nie nutzt, sollten schlicht gelöscht werden.

So sieht es leider in vielen deutschen Schubladen aus
So sieht es leider in vielen deutschen Schubladen ausImago / Karina Hessland

Sind Netflix und Spotify klimaschädlich?

Eine Welt ohne Streaming wäre grundsätzlich umweltfreundlicher. Es dürfte aber kein Weg zurück zu DVD und CD führen. Auch hier können sich kleine Schritte aufsummieren: Filme und Playlists nur einmal downloaden und lokal abspeichern, anstatt immer wieder neu zu streamen. Bei der Auflösung kann weniger mehr sein: Wenn das Endgerät nicht HD-fähig ist, braucht es auch keinen HD-Download. Der größte Spareffekt beim Streamen wie überall im Netz: weniger Konsum.

Ist Recycling die Lösung für Elektroschrott?

Die jährlich anfallenden Mengen an Elektroschrott sind gewaltig. 62 Millionen Tonnen fallen jedes Jahr auf der Welt an. Viele Geräte sind so designt und gebaut, dass sie kaum recycelt werden können. In Deutschland liegt die Recyclingquote bei Elektronik bei unter 30 Prozent, große Elektroschrottmengen werden einfach nicht recycelt . „Auch hier können die Endverbraucher viel tun: Nicht jedes Jahr ein neues Handy kaufen, sondern im Zweifel den Akku oder das Display tauschen„, empfiehlt Quay.

Seine Arbeitsgruppe forscht auch dazu, wie schon bei der Produktentwicklung der Austausch von Verschleißteilen und damit das Reparieren und Wiederverwendung von Chips leichter werden kann. „Beim Fairphone ist ein solches Konzept schon umgesetzt, warum gibt es das Konzept nicht bei Fernsehern, Autos oder Waschmaschinen“, fragt der Nachhaltigkeitsforscher.