“Die Zweiflers” – Drei Generationen einer jüdischen Familie

Die Pointen sind zahlreich, der schwarze Humor ist es auch, und der Name von Familie Zweifler Programm. Diese Serie ist zum Lachen und zum Nachdenken. In Cannes gewann sie Preise – und ist bald hier zu sehen.

“Verlas sich oyf mir” – das sind die letzten Worte nach fast sechs Stunden, in denen man Familie Zweifler aus Frankfurt am Main zuschaut. In all ihren Herzensangelegenheiten, Skurrilitäten, Nöten, in ihrer Wärme und ihrem Humor. Es wird Jiddisch gesprochen: von den Großeltern, die Auschwitz überlebten, bis hin zu den hippen Enkeln. Die in Cannes ausgezeichnete sechsteilige Serie “Die Zweiflers” ist von diesem Freitag an in der ARD-Mediathek zu sehen. Am Freitag wird sie im Ersten zu nächtlicher Stunde ausgestrahlt.

Das passt zu den zahlreichen Großstadtszenen zu später Stunde: Wenn Familienmitglieder im rot schimmernden Bahnhofsviertel unterwegs sind oder wenn die jungen Leute im Park vor erleuchteter Hochhausskyline abhängen, gerne auch mal berauscht. Wem die Ausstrahlungszeit ab 22.20 Uhr zu spät ist, kann flexibel in der Mediathek schauen.

Die Zweiflers treiben vor allem zwei Dinge um: Symcha Zweifler möchte das Delikatessen-Geschäft der Familie verkaufen, was zu höchst unterschiedlichen Reaktionen führt. Und zur Folge hat, dass Enkelin Dana mit ihren Kindern aus Israel zurück nach Frankfurt kommt – und darüber hinaus Symchas speziellen geschäftlichen Start nach dem Holocaust wie in einem Krimi entwirrt.

Und dann ist da die Liebesgeschichte zwischen Enkel Samuel und Saba, einer Nicht-Jüdin mit karibischen Wurzeln. Sie verhandeln ihre jeweiligen Zugehörigkeiten. Ob der Sohn beschnitten wird, ist vorherrschendes Thema bis in den Kreißsaal hinein. Saba und Samuel kämpfen auf ihre Art darum, nicht unterzugehen. Wozu nicht nur in Sabas, sondern letztlich auch in Samuels Fall gehört, sich in der sehr präsenten Familie Zweifler zu behaupten.

Es geht um Identität und das Leben nach dem Überleben ausgerechnet in Deutschland. Um junge Jüdinnen und Juden, in deren Leben die Ermordeten immer eine Rolle spielen, das aber nicht ausschließlich über den Holocaust definiert werden möchte. Um die Frage, wie Jüdinnen und Juden auf die Mehrheitsgesellschaft blicken. Um das Talent zum Humor, der über Trauer und Unvermeidliches hinweghilft.

All das trägt die Serie über fast sechs Stunden, obschon Längen nicht ausbleiben. Es gibt viele witzige und überdrehte Szenen, die mit Klischees spielen, und reichlich schwarzen Humor. Und ebenso viele berührende Szenen, vor allem rund um die Großeltern Symcha und Lilka. Wie sie am Beckenrand eines Bades sitzen und dort Fragen über Leben und Tod verhandeln. Oder wenn Lilka von einem Akt des Widerstands im KZ durch die Tänzerin Franziska Mann erzählt und ihrer Enkelin Dana mit auf den Weg gibt: “Die Zukunft liegt in deinen Händen. Greif zu.”

Auch wenn es vor allem um die Zweiflers geht, wäre es wünschenswert gewesen, noch mehr über Saba und ihre Familie zu erfahren, die ebenfalls nicht der Mehrheitsgesellschaft entstammen. Zwar wird einiges angedeutet, und auch ihr Vater tritt kurz auf. Doch richtig greifbar wird dieser Strang der Geschichte nicht.

Erfreulich ist das viele Jiddisch und Englisch im Original, das jeweils untertitelt ist. Eine Gottesdienst-Szene wurde in der Westend-Synagoge der Frankfurter Gemeinde gedreht, an der auch Gemeindemitglieder und Oberkantor Tzudik Greenwald mitwirken, wie Synagogenvorsteher Fiszel Ajnwojner der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagt. Er selbst mimt einen Arzt und hat beim Jiddischen beraten. Schwiegersohn David Hadda ist einer der Produzenten und Mitautor des Drehbuchs.

“Viele Menschen haben keine Berührungspunkte mit dem Judentum”, sagt der aus Frankfurt stammende Hadda der KNA. Dieses sei nicht homogen, und er habe die Serie aus persönlichen Erfahrungen heraus entwickelt. “Das Wesentliche war, die Mentalität eines Mikrokosmos einzufangen.” Warum die Zweiflers diesen Namen tragen? Unter anderem spiele er auf das Hinterfragen in talmudischer Tradition des Judentums an.

Zum Casting sagt Hadda, dass Mike Burstyn (Symcha) und Eleanor Reissa (Lilka), die die Großeltern unheimlich stark spielen, nach der Verteilung von jiddischsprachigen Flyern in den USA und Israel gefunden worden seien. Auch die anderen Figuren sind bestens besetzt, etwa mit Sunnyi Melles, Aaron und Leo Altaras, Saffron Coomber, Mark Ivanir und Martin Wuttke. Abgeräumt hat die Serie auf dem Cannes International Series Festival: Preis als beste Serie und für die beste Musik sowie der High School Award.

Das Schicksal des Delikatessen-Geschäfts und die Antwort auf die Beschneidungsfrage sollen hier nicht verraten werden. “Verlas sich oyf mir”: Diese letzten jiddischen Worte, gerichtet an Großmutter Lilka, schenken ihr jedenfalls große Zufriedenheit. Und mit ihrem Lächeln zwischen Himmel und Erde endet die Serie.