Der Israelsonntag könnte in diesem Jahr weit kontroverser und politischer werden als in den Vorjahren. Viele Menschen beschäftige der Krieg in Gaza, sagt Ursula Rudnick, die Beauftragte für Kirche und Judentum in der Landeskirche Hannovers. „Dennoch ist klar zu sagen, dass der Israelsonntag nicht die Aufgabe hat, das Land Israel und seine Politik zu betrachten, sondern unseren Blick auf die Förderung des Zusammenlebens mit in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden zu richten. Im Augenblick steht hier ganz klar das Thema Antisemitismus im Vordergrund.“
Doch für Diskussion sorgt der Krieg in Gaza auch in den niedersächsischen Gemeinden. Die Verbundenheit mit Israel, die viele Gemeinden am Israelsonntag, 24. August, zum Ausdruck bringen, umfasse nicht nur ein unbedingtes „Ja“ zur Existenz des Staates Israel, sondern sie bedeute auch, ein solidarischer und kritischer Wegbegleiter zu sein, stellt Rudnick klar. Es sei legitim zu diskutieren, ob die Reaktion Israels auf den Terrorangriff der Hamas vor knapp zwei Jahren angemessen sei oder eine Grenze überschreite.
Die Gemeinden befassen sich am Israelsonntag, der auf eine problematische Entstehungsgeschichte blickt, mit dem Verhältnis von Christen und Juden, mit gemeinsamen blischen Traditionen, aber auch mit der Geschichte der christlichen Judenfeindschaft und der Verantwortung der Christen für den Genozid der Juden in Europa.
Keine Nachhilfestunde in Politik
Den Gemeinden steht also ein schwieriger Balanceakt bevor, wenn sie diesem Hintergrund gerecht werden und gleichzeitig auf die Situation in Gaza eingehen wollen. Pastorin Rudnick weist auf die Gefahren hin: „Eine Auseinandersetzung mit den aktuellen politischen Fragen wird problematisch, wenn die Diskussion auf die Bestreitung des Existenzrechts abzielt, Sicherheitsinteressen Israels verneint, antisemitische Stereotype nutzt oder Juden außerhalb Israels für israelische Politik verantwortlich macht.“
Nachilfestunden in Politik für den Staat Israel sind in den Gottesdiensten daher kaum zu erwarten. „Es geht beim Israelsonntag vorrangig um solche Fragen, auf die wir Einfluss haben. Das ist die Bekämpfung von Antisemitismus“, betont Rudnick. Denn die Geschichte christlicher Judenfeindschaft wirke weiter. „Hier sind wir als Kirche und als einzelne Christinnen und Christen gefordert.“
Dazu gehöre das Projekt „In Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft – Gemeinsam gegen Antisemitismus“ der Landeskirche Hannovers, dem sich Kirchengemeinden anschließen können. Auch nach dem Israelsonntag.
