Bundeskanzler: Putin darf Kant nicht für sich vereinnahmen

Russlands Präsident Wladimir Putin sieht sich gern in philosophischer Nähe zu Kant. Das findet Olaf Scholz absurd. Bei einer Rede in Berlin hat der Bundeskanzler die Unterschiede zwischen Kant und Putin herausgearbeitet.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wirft dem russischen Präsidenten Wladimir Putin eine unzulässige Vereinnahmung des Königsberger Philosophen Immanuel Kant (1724-1804) vor. “Putin hat nicht die geringste Berechtigung, sich auf Kant zu berufen. Trotzdem bleibt Putins Regime bestrebt, Kant und sein Werk um fast jeden Preis zu vereinnahmen”, sagte Scholz am Montag. Er sprach anlässlich des Festaktes der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften zu Kants 300. Geburtstag.

Zwar stelle Putin den Philosophen, dessen Heimatstadt Königsberg heute die russische Exklave Kaliningrad bildet, gern als seinen “Lieblingsphilosophen” dar. Doch Kants Vorstellungen von Menschenrecht und Menschenwürde, ebenso wie seine Gedanken zu Krieg und Frieden lassen sich laut Scholz nicht mit dem verbinden, was der russische Präsident in seinem Land und mit dem Überfall auf die Ukraine praktiziere. Die Würde und die Autonomie des Einzelnen würden in “Putins Autokratie heute täglich mit Füßen getreten und im Keim erstickt – etwa mit den Mitteln der Zensur, der digitalen Desinformation und Überwachung”, so Scholz. Auch als “Stichwortgeber für Angriffskrieg, Völkerrechtsbruch und Despotie” eigne sich der Philosoph nicht.

Der Bundeskanzler unterstrich auch die aktuelle Bedeutung von Kants Schrift “Zum ewigen Frieden”: Zwar könne man in der Schrift keine “praktischen Handreichungen zur Lösung von kriegerischen Konflikten des 21. Jahrhunderts” finden, aber kluge und bedenkenswerte Hinweise. “Wer angegriffen wird, der darf sich verteidigen.” Und: Ein wirklicher Friede gehe über einen bloßen Waffenstillstand und Aufschub der Feindseligkeiten immer hinaus.

Vieles von dem, was Kant zu Lebzeiten vorschwebte, sei inzwischen Wirklichkeit geworden, betonte Scholz. “Bei uns in Deutschland, im Rahmen der Europäischen Union, zum Teil auch auf globaler Ebene.” Kants Denken habe ihn auch für seine eigene politische Arbeit tief geprägt. Doch es sei weiterhin nötig, “fortbestehende Unzulänglichkeiten unserer Errungenschaften zu kritisieren und zu korrigieren.”