Buchtipp: „Senf zum Dessert” interpretiert Redensarten neu

In seinem Fast-Heimatroman spielt Wolfgang Hegewald mit Sprichwörtern und erzählt von der Fee in seinem Arbeitszimmer.

Das Cover des Buches
Das Cover des BuchesFoto: PalmArtPress

Genaues Sprechen erfordert keine intellektuellen Höhenflüge, sondern einen klaren Kopf und Aufmerksamkeit. Das macht „Senf zum Dessert“ von Wolfgang Hegewald deutlich. Die bereits im Titel spürbare Ironie wird durch das ganze Buch durchgehalten. Durchgehalten wird auch die genaue Beobachtung unseres Sprachgebrauchs. Sarkastisch weist uns der Autor ungenaues Reden nach und zeigt zugleich die Möglichkeiten, die Sprache bietet.

Auf dem Teppich bleiben

Hegewald verändert geläufige Redewendungen leicht, so gewinnen sie erneut unsere Aufmerk­samkeit. Da heißt es zum Beispiel: „Heute morgen traue ich meinen Augen gern.“ Und die „Redensart vom Thermometer, das irgendwohin klettert, mochte ich noch nie leiden.“ An einem dürftigen Vogelfrühstück kann sich der Betrachter „kaum sattsehen“. Als „Treppenwitz“ wird ein kurioses Ereignis bezeichnet, das sich tatsächlich im Treppenhaus ereignet hat. Mit „auf dem Teppich bleiben“ ist nicht beruhigtes Verhalten gemeint, sondern damit wird der Aufenthaltsort einer „literarischen Fee“ beschrieben.

Und dies ist die dritte Konstante des Buchs: Es beginnt damit, dass eine Fee ins Arbeitszimmer des Autors tritt und ihm die Frage stellt: „Lesen oder schreiben, wie würdest du dich entscheiden?“ Statt einer Antwort streckt der Autor die Fee zu Boden. Diese rabiate Handlung verschreckt die Fee nicht, sondern sie bleibt, zumeist im Arbeitszimmer, aber auch in anderen Räumen der Schriftstellerwohnung. Sie geht sogar mit dem Autor auf die Straße.

Dazugegebener Senf

Mit ihrem Verschwinden nach einigen Monaten endet auch das Buch. Und der in der Ich-Form erzählende Schriftsteller, der zufällig Wolfgang Hegewald heißt, schließt mit der Behauptung: „Nie ist mein Senf besser, als wenn ich ihn nicht dazugebe.“ Uns Lesern aber wäre viel nachdenkliche Unterhaltung entgangen. In 70 Anekdoten, Erzählungen, Porträts, Traumgeschichten werden die Absurditäten des gesellschaftlichen sowie des persönlichen Lebens entlarvt. Behutsam und diskret wird von Freundschaft und Liebe gehandelt. Fazit: „Selbstverständlich ist gar nichts.“