Bernhard Schlink: Unter Trump wird Europa komplett bedeutungslos

Seit Jahrzehnten pendelt der Jurist und Bestsellerautor Bernhard Schlink zwischen den USA und Deutschland. Er war sogar im Wahlkampf für die Demokraten aktiv. Die nächsten Wahlen bereiten ihm gemischte Gefühle.

Bestsellerautor Bernhard Schlink („Der Vorleser“, „Das späte Leben“) sieht einer möglichen zweiten Amtszeit von Donald Trump sehr skeptisch entgegen. „Das wird nichts Gutes bedeuten“, sagte er am Donnerstagabend beim internationalen Literaturfestival „LitCologne“ in Köln. „Man kann in Amerika insgesamt beobachten, dass Europa uninteressant wird.“ Nicht nur Trump finde, „dass wir Europäer uns um unsere Verteidigung eigentlich selber kümmern sollten. Das ist ein amerikanischer Konsens.“ Aber auch das Interesse der gebildeten, akademischen Welt an Europa habe abgenommen und nehme weiter ab, so der emeritierte Professor, der seit Jahrzehnten zwischen seinen Wohnsitzen in den USA und Berlin pendelt.

An Universitäten, wo es immer eigene Germanistische oder Romanistische Fakultäten gegeben habe, blieben vielleicht noch übergreifende Fächer wie Europäische Kulturstudien. „Das wird unter Trump ganz hart gehandelt werden“, sagte der 79-Jährige. Letztlich sei das, was an Universitäten passiere, jedoch unabhängig davon, „ob Trump oder Biden dran ist“.

Weiter berichtete Schlink, selbst seit Jahren SPD-Mitglied, über seine Erfahrungen 2016 im Wahlkampf für Hillary Clinton. „Ich bin mit losgezogen, von Tür zu Tür, habe gefragt, ob man jemanden zum Wählen fahren kann. Da bekommt man alles zu hören von ‚Ja gerne, vielen Dank‘ bis zu ‚Hillary? F…k dich doch ins Knie‘, also alles“, so der Verfassungsrechtler. „Es war eine interessante Erfahrung, denn man macht das nicht in den gutbürgerlichen Vierteln“, sagte Schlink. „Da waren dann auch zum Teil die Emotionen stark.“

Schlink äußerte sich bei einer Lesung seines jüngsten Romans „Das späte Leben“ (Diogenes-Verlag), dessen Hauptfigur Martin Brehm emeritierter Jura-Professor ist. In Brehm steckten „17 Prozent“ Schlink, so der Pfarrerssohn, der sich letztlich für das Fach Jura entschied: „Mich hat wirklich die Gerechtigkeit interessiert, und sie interessiert mich bis heute“, erläuterte er. Und weiter: „Gerechtigkeit ist bescheidener als Moral. Wir leben ja in einer Welt, in der moralisiert wird. Das Moralisieren kann alles und jedes Problem erschlagen. Statt sich mit einem Konflikt näher auseinanderzusetzen, was ja dann leicht schwierig und mühsam würde, sind Menschen gerne mit einem moralisierenden Urteil zur Hand“, sagte Schlink. „Das ist die Versuchung in der Moral, während Gerechtigkeit genau und bescheidener ist.“ Darüber werde er „ein kleines Buch“ schreiben, kündigte er an.