Ankommen

Über Flucht und Integration schreibt Franziska Albrecht. Sie ist Pastorin im niedersächsischen Uslar.

Der Predigttext des folgenden Sonntags lautet: „Baut Häuser und wohnt darin; pflanzt Gärten und esst ihre Früchte.“ aus Jeremia 29, 1 – 7
Er sitzt am Busbahnhof. Ein junger Mann auf einem Koffer. Erschöpft und doch mit hoffnungsvollen Augen. Woran denkt er? An die Gründe seiner Flucht? An die Heimat, die Familie, die er verlassen hat? Vielleicht sitzt er noch Monate, wenn nicht Jahre auf gepackten Koffern. Wie fühlt sich das für ihn an? Die Flucht ist vorbei und dann doch wieder nicht. Darf er ankommen, bleiben, sich etwas aufbauen? Oder muss er sich erneut wieder auf den Weg machen und sein Glück andernorts suchen?
Wie wichtig das Ankommen ist, schreibt der Prophet Jeremia schon im Alten Testament an das Volk Israel im Exil. Baut Häuser und wohnt darin; pflanzt Gärten und esst ihre Früchte (Jeremia 29, 5).
Wer flieht, will auch irgendwann irgendwo ankommen. Dazu gehört, das eigene Leben auf das Bleiben auszurichten; voller Hoffnung und Zuversicht den Blick nach vorne zu wagen. Ein Haus bauen, einen Garten bestellen, sich verlieben und eine Familie gründen. All das sind Bausteine der Integration. Und dabei seine Identität nicht verlieren. Auch das ist wichtig. Man muss nicht aufgeben, was einen ausmacht an Geschichte, Familie, Nationalität und Religion. Zugleich müssen aber neue Werte und Gebräuche kennengelernt und respektiert werden. Manches vermischt sich, manches wird getrennt bleiben. Zu Recht sprechen junge Menschen in zweiter und dritter Migrationsgeneration davon, dass oftmals zwei Herzen in ihrer Brust schlagen. Unter dem Hashtag #metwo haben sie das für viele sichtbar werden lassen.
Es gibt ein Recht auf Ankommen! Denn nur wer sich einbringen darf, weil er bleiben kann, der nimmt auch Anteil am Geschehen im neuen Land. An dem, was die Menschen hier bewegt und umtreibt, sucht gar der „Stadt Bestes“. Doch wo das Ankommen versagt bleibt, wächst die Angst, sich wieder auf den Weg machen zu müssen. Angst gebiert keine Zukunft. Aus Hoffnung aber wächst Erstaunliches!
Unsere Autorin
Franziska Albrecht
 ist Pastorin in der St.-Johannis-Kirchengemeinde Uslar (Niedersachsen).
Zum Predigttext des folgenden Sonntags schreiben an dieser Stelle wechselnde Autoren. Einen neuen Text veröffentlichen wir jeden Mittwoch.